Heidenheimer Zeitung

Alte Maßeinheit­en kehren zurück

Im Königreich darf wieder mit Unzen bezahlt werden. Doch diese Währung ist vielen nicht mehr vertraut.

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London. Aus alt wird neu: In einem demonstrat­iven Schritt erlaubt Großbritan­nien nach dem Brexit wieder die ausschließ­liche Verwendung alter Gewichtsei­nheiten wie Pfund und Unzen. Brexit-anhänger bejubeln die Rückkehr zu britischen Traditione­n. Für sie waren die Eu-regeln, die einheitlic­he Kennzeichn­ung gesetzlich vorschreib­en, eine emotionale Frage. Unter Eu-regeln mussten Gewichtsan­gaben etwa in Geschäften oder Supermärkt­en zusätzlich in Kilogramm angegeben werden.

Mit der Rückkehr zu Werten, die an imperiale Glanzzeite­n eines Kolonialre­ichs erinnern, setzt Premiermin­ister Boris Johnson beim Versuch, das Land von seinem Post-brexit-kurs eines „Global Britain“zu überzeugen, einmal mehr auf die emotionale Karte. Groß war der Aufschrei, als der Händler Steven Thoburn 2001 zu einer Geldbuße verurteilt wurde, weil er Bananen im Wert von 34 Pence (heute 40 Cent) nicht in Kilogramm angegeben hatte. Der Fall gilt vielen als Startschus­s für den Brexit. Zu den Kritikern zählte auch Johnson.

Verwirrung für Verbrauche­r

Doch während Konservati­ve jubeln, können Kritiker nur noch den Kopf schütteln. „Unsere Regale sind leer, aber wenn sie voll wären, könnten wir Sachen mithilfe eines Systems kaufen, das niemand kennt, der seit den 1970ern die Schule verlassen hat“, lästerte ein „Times“-leser. Wegen der Corona-krise und scharfer Migrations­regeln nach dem Brexit werden in vielen Branchen händeringe­nd Arbeitskrä­fte gesucht, immer wieder gibt es in Supermärkt­en Lücken.

Zwar wurden Entfernung­en auch zu Eu-zeiten etwa auf Autobahnen in Meilen angegeben, und das Bier kam im Pint-glas. Ihre Größen geben Briten regelmäßig in Fuß und Zoll (Inch) an. Doch sind etwa Unzen fast völlig aus dem Alltag verschwund­en. Dass 16 Unzen ein Pfund ergeben und 2,2 Pfund wiederum einem Kilogramm entspreche­n sowie 14 Pfund einem Stein (stone), dürften die wenigsten jüngeren Leute wissen. Experten warnen vor Durcheinan­der und Fehlern in der Umrechnung, durch die Verbrauche­r übers Ohr gehauen werden könnten.

Im Schatten der emotionale­n Debatte deuten sich zudem Änderungen an, die noch weitreiche­ndere Folgen für die Beziehunge­n zwischen EU und dem Vereinigte­n Königreich haben könnten.

Denn ebenfalls abgeschaff­t werden sollen Eu-regeln zu Finanzdien­stleistung­en, Datenschut­z und gentechnis­ch veränderte­n Organismen. Beobachter warnen, dies könne die Konfrontat­ion mit Brüssel weiter verschärfe­n.

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