Heidenheimer Zeitung

Merkel für rasche Abstimmung von Bund und Ländern

Die Infektions­zahlen erreichen neuen Rekord. Virologe Drosten weist auf Engpässe in Kliniken hin. Auch im Südwesten sind die Intensivbe­tten schon knapp.

- Hajo Zenker

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dringt wegen der kritischen Corona-lage mit Nachdruck auf eine rasche Bund-länder-abstimmung mit den Ministerpr­äsidenten. Die Pandemie breite sich in dramatisch­er Weise aus, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Dies erfordere eine schnelle und einheitlic­he Reaktion. Merkel sei mit den Ländern und den möglichen künftigen Koalitions­parteien in intensivem Kontakt, um schnellstm­öglich einen Termin zu finden. Es mehren sich Rufe nach bundesweit­en Einschränk­ungen für Ungeimpfte. So plädierten etwa Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach, linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch und die Ärztegewer­kschaft Marburger Bund für eine bundesweit geltende 2G-regelung – also Zutritt etwa zu Veranstalt­ungen nur für Geimpfte oder Genesene.

Das Robert Koch-institut (RKI) meldete mittlerwei­le den dritten Tag in Folge einen Rekord bei der Sieben-tage-inzidenz. Am Mittwoch wurde ein Wert von 232,1 registrier­t. Darüber hinaus meldete das RKI am Mittwoch mit 39 676 neuen Fällen so viele Neuinfekti­onen wie nie seit Beginn der Pandemie.

Der Virologe Christian Drosten hält neue Kontaktbes­chränkunge­n für denkbar. „Wir haben jetzt im Moment eine echte Notfallsit­uation“, sagte er dem NDR. Es seien nur noch ungefähr zehn Prozent der Intensivbe­tten in Deutschlan­d frei.

Auch in Baden-württember­g spitzt sich die Lage zu. Biberach, Sigmaringe­n, Hohenlohek­reis, Rottweil und Freudensta­dt meldeten am Mittwoch zeitweise null freie Intensivbe­tten. Nur noch wenig Kapazität weisen Tübingen, Reutlingen, der Ostalbkrei­s, Böblingen oder Schwäbisch Hall auf. Laut Sozialmini­sterium führt das Land bereits Gespräche über Verlegunge­n von Covid-patienten in andere Bundesländ­er.

In Bayern gilt aufgrund der massiv steigenden Infektions­zahlen von Donnerstag an wieder der landesweit­e Katastroph­enfall.

Berlin. Fast 40 000 Corona-neuinfekti­onen an einem Tag und den dritten Tag in Folge ein Rekord bei der Sieben-tage-inzidenz: Die Pandemie hat das Land fest im Griff. Wie darauf aber konkret reagiert wird, bleibt unklar.

Mehr Stimmen für schärfere Maßnahmen So forderten der SPD-GEsundheit­sexperte Karl Lauterbach, der Gesundheit­spolitiker Janosch Dahmen (Grüne) und Nrw-ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) eine flächendec­kende Anwendung von 2G, also Einlass bei vielen Dienstleis­tungen, kulturelle­n und künstleris­chen Angeboten nur für Geimpfte und Genesene. Die parteilose Oberbürger­meisterin von Köln, Henriette Reker, brachte sogar eine Impfpflich­t für den Fall ins Spiel, dass es bis Weihnachte­n „keinen richtigen Schub bei der Impfquote“gebe. Noch-kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ mitteilen, sie befürworte rasche Gespräche des Bundes mit den Ministerpr­äsidenten. Bayern rief am Mittwoch den Katastroph­enfall aus. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte zudem eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen, etwa für Bedienstet­e in Altenheime­n oder Krankenhäu­sern.

Der Bürger-test kehrt zurück Ab voraussich­tlich kommender Woche sollen alle Bürger wieder mindestens einen kostenlose­n Schnelltes­t pro Woche machen können – so wie es bis 10. Oktober war. Laut einem Verordnung­sentwurf des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums soll so verhindert werden, dass aus finanziell­en Erwägungen auf Tests verzichtet wird. Zudem könnten sich auch Geimpfte mit infizieren und damit eine Gefahr für Risikogrup­pen darstellen.

Düstere Prognose Bisher sind nach Angaben des Robert-koch-instituts (RKI) 96 963 Menschen an oder unter Beteiligun­g von Corona gestorben. Der Virologe Christian Drosten warnt mit „bis zu 100 000 weiteren Todesfälle­n“. Man habe aktuell eine „echte Notfallsit­uation“.

Booster-impfungen Nachdem sich tagelang sehr wenig bewegte, wurden am Dienstag 312 000 Impfdosen verabreich­t – Nochbundes­gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU): „So viele wie seit August nicht mehr.“Damit sind 55,9 Millionen Deutsche (67,3Prozent) vollständi­g geimpft. Laut RKI wurden 3,04 Millionen Booster verabreich­t. Unter den über 60-Jährigen seien 9,1 Prozent dreifach geimpft. Bei der Frage, welcher Impfstoff verwendet werden sollte, gibt es eine neue Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion: Unter 30-Jährige sollen nur noch Biontech erhalten. Herzmuskel­und Herzbeutel­entzündung­en träten bei Menschen unter 30, insbesonde­re bei Männern, nach Moderna häufiger auf als nach Biontech. Zuvor war in Skandinavi­en und Frankreich von Moderna für unter 30-Jährige abgeraten worden.

 ?? Foto: Stefan Sauer/dpa ?? Anstehen für die dritte Dosis: Wie hier in Stralsund (Mecklenbur­gvorpommer­n) nimmt das Interesse zu.
Foto: Stefan Sauer/dpa Anstehen für die dritte Dosis: Wie hier in Stralsund (Mecklenbur­gvorpommer­n) nimmt das Interesse zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany