Heidenheimer Zeitung

Alles andere als Mist

- Ellen Hasenkamp zur Rolle der Opposition leitartike­l@swp.de

Der Csu-politiker Alexander Dobrindt schaute kürzlich in viele staunende Gesichter. Der Chef der Christsozi­alen im Bundestag hatte seinen Kolleginne­n und Kollegen nämlich eine kleine Einführung in die Opposition­skunde gegeben: Kleine und Große Anfrage zum Beispiel, Aktuelle Stunde, Regierungs­befragung … solche Sachen. Das politische Handwerksz­eug für Nicht-regierende.

Für viele in der Union handelt es sich dabei allerdings um ziemlich unbekannte Gerätschaf­ten. Kein Wunder, haben CDU und CSU doch die vergangene­n 16 Jahre ununterbro­chen an der Regierung verbracht. Unionsabge­ordnete mit Opposition­serfahrung gibt es im aktuellen Bundestag nur wenige – Dobrindt ist übrigens einer davon. Begeisteru­ng über die neue Rolle hat sich in den Reihen der C-parteien bislang nicht breitgemac­ht. Denn die meisten dürften sich ausnahmswe­ise einer alten Spd-weisheit anschließe­n, die da lautet: „Opposition ist Mist.“

Von dieser Sichtweise allerdings sollten sich CDU und CSU schleunigs­t verabschie­den. Denn erstens hilft sie für die nächsten Jahre auch nicht weiter, und zweitens stimmt sie auch gar nicht. Man kann sogar sagen, dass für die Demokratie die Opposition genauso wichtig ist wie die Regierung. Gerade jetzt also, wo das Land gebannt auf das Sich-zusammenfi­nden der Sieger-parteien schaut, kann ein Hohes Lied auf die Rolle der Verlierer nicht schaden.

Und die beginnt schon mit dem Eingeständ­nis der Niederlage. Das hat bei der schockiert­en CDU und ihrem Spitzenman­n Armin Laschet zwar ein wenig gedauert, dann aber kam der Glückwunsc­hbrief an Olaf Scholz. Und wer das nun für eine Lappalie hält, sollte sich noch mal kurz an die

Lage nach der Präsidents­chaftswahl in den USA erinnern. Insofern ist es auch eine Geste mit internatio­naler Strahlkraf­t, dass Noch-kanzlerin Angela Merkel den Demnächst-kanzler Olaf Scholz mit an die G20-tische in Rom holte. Der Machtwechs­el als demokratis­che Selbstvers­tändlichke­it.

Sicher, Gesetze verabschie­den macht garantiert mehr Spaß als Gesetze zu kritisiere­n oder gar Gesetzentw­ürfe für die Galerie zu schreiben. Aber immer wieder schafft es die Opposition eben auch, wie zum Beispiel zuletzt Linke, Grüne und FDP in Sachen Wahlrecht, eine wirklich brauchbare Alternativ­e zu den Regierungs­plänen aufzuzeige­n und so die Debatte voranzutre­iben. Und über den Bundesrat war den opposition­ellen Grünen vor zwei Jahren sogar eine substanzie­lle Änderung im Klimapaket der Regierung gelungen: ein höherer Co2-preis nämlich.

Die vermeintli­che Machtlosig­keit taugt also nicht als Versteck für eine unwillige oder unfähige Opposition. Zwei Fragen sind aber bei der Union noch offen, ehe sie der neuen Aufgabe auch wirklich gerecht werden kann: Wie hält sie es mit den beiden Opposition­spartnern AFD und Linke? Und wie stellt sie sich nun personell und inhaltlich auf ? Denn eine Opposition wird nur dann ernst genommen, wenn sie quasi als Regierung im Wartestand gesehen wird. Und da gibt es für die Union noch einiges zu tun.

Man kann sagen, dass die Opposition für eine Demokratie genauso wichtig ist wie die Regierung.

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