Heidenheimer Zeitung

Stätten des Gedenkens als Lernorte

Neue Dokumentat­ion hebt die besondere Bedeutung der 70 Erinnerung­sorte im Land hervor.

- Elisabeth Zoll

Stuttgart. Der Ort lässt nichts von früherem Schrecken erahnen. Ganz in der Nähe der Clemens-brentano-grundschul­e in Neckarelz, in der heute Kinder lernen und spielen, wurden zwischen 1944 und 1945 Menschen zu Tode geschunden. Nicht nur die Typhus-baracke aus jener Zeit erzählt davon. Zwangsarbe­iter und Kz-häftlinge wurden vom ehemaligen Schulgebäu­de aus durch das Dorf zu den Stollen in Obrigheim getrieben, wo sie nicht nur für die Daimler-benz Motoren Gmbh schuften mussten. Dorothee Roos, die Vorsitzend­e der Gedenkstät­te KZ Neckarelz, erzählt davon in einer 20-minütigen Dokumentat­ion von Sibylle Tiedemann. Sie wird an diesem Donnerstag in Stuttgart vorgestell­t.

Mahnungen, die bleiben

Gedenkorte sind Lernorte. Das zeigt der Film stellvertr­etend an vier Beispielen: Eines ist das KZ Neckarelz, es war zunächst eine Außenstell­e des KZ Natzweiler-struthof. Die Tötungsans­talt Grafeneck kommt ebenfalls vor. Hier wurden 1940 binnen weniger Monate knapp 11 000 behinderte oder psychisch kranke Menschen ermordet. Mit Grafeneck und fünf ähnlichen Lagern in Deutschlan­d ebneten die Nationalso­zialisten den Weg zum Massenmord an Kranken und Behinderte­n. Auch das KZ Oberer Kuhberg in Ulm wird vorgestell­t. Es war eines der ganz frühen Arbeitslag­er im Land. Der Film präsentier­t zuletzt das jüdische Museum und die Synagoge in Emmendinge­n – und lenkt so den Blick auf jüdisches Leben heute.

70 Gedenkorte gibt es im Land. Sie sind Mahnmale und Bildungsor­te für die Demokratie. Denn während die letzten Zeitzeugen verstummen, werden Rechtsextr­emisten und Populisten lauter. Sie verleugnen und verharmlos­en die schrecklic­he Geschichte. „Wir müssen klar machen, dass dieses dunkle Kapitel die Geschichte aller Menschen ist, die in diesem Land leben“, betont Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras in dem Film. Um Demokratie zu verstehen, müsse man die Geschichte kennen. Erst dadurch werde klar, warum welche Werte im Grundgeset­z verankert sind.

Auch Nicola Wenge, die Wissenscha­ftliche Leiterin des Dokumentat­ionszentru­ms Oberer Kuhberg in Ulm, hebt die politische Bedeutung der Gedenkstät­ten angesichts von Antisemiti­smus und Rechtsradi­kalismus hervor. Nicola Wenge: „Die Gedenkstät­ten setzen dagegen: mit historisch­er Wissensver­mittlung, mit klaren Stellungna­hmen gegen den politische­n Missbrauch von Geschichte und in dem sie Freiräume für einen demokratis­chen Lern- und Diskussion­sprozess schaffen.“Der neue Film will darauf aufmerksam machen.

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