Stätten des Gedenkens als Lernorte
Neue Dokumentation hebt die besondere Bedeutung der 70 Erinnerungsorte im Land hervor.
Stuttgart. Der Ort lässt nichts von früherem Schrecken erahnen. Ganz in der Nähe der Clemens-brentano-grundschule in Neckarelz, in der heute Kinder lernen und spielen, wurden zwischen 1944 und 1945 Menschen zu Tode geschunden. Nicht nur die Typhus-baracke aus jener Zeit erzählt davon. Zwangsarbeiter und Kz-häftlinge wurden vom ehemaligen Schulgebäude aus durch das Dorf zu den Stollen in Obrigheim getrieben, wo sie nicht nur für die Daimler-benz Motoren Gmbh schuften mussten. Dorothee Roos, die Vorsitzende der Gedenkstätte KZ Neckarelz, erzählt davon in einer 20-minütigen Dokumentation von Sibylle Tiedemann. Sie wird an diesem Donnerstag in Stuttgart vorgestellt.
Mahnungen, die bleiben
Gedenkorte sind Lernorte. Das zeigt der Film stellvertretend an vier Beispielen: Eines ist das KZ Neckarelz, es war zunächst eine Außenstelle des KZ Natzweiler-struthof. Die Tötungsanstalt Grafeneck kommt ebenfalls vor. Hier wurden 1940 binnen weniger Monate knapp 11 000 behinderte oder psychisch kranke Menschen ermordet. Mit Grafeneck und fünf ähnlichen Lagern in Deutschland ebneten die Nationalsozialisten den Weg zum Massenmord an Kranken und Behinderten. Auch das KZ Oberer Kuhberg in Ulm wird vorgestellt. Es war eines der ganz frühen Arbeitslager im Land. Der Film präsentiert zuletzt das jüdische Museum und die Synagoge in Emmendingen – und lenkt so den Blick auf jüdisches Leben heute.
70 Gedenkorte gibt es im Land. Sie sind Mahnmale und Bildungsorte für die Demokratie. Denn während die letzten Zeitzeugen verstummen, werden Rechtsextremisten und Populisten lauter. Sie verleugnen und verharmlosen die schreckliche Geschichte. „Wir müssen klar machen, dass dieses dunkle Kapitel die Geschichte aller Menschen ist, die in diesem Land leben“, betont Landtagspräsidentin Muhterem Aras in dem Film. Um Demokratie zu verstehen, müsse man die Geschichte kennen. Erst dadurch werde klar, warum welche Werte im Grundgesetz verankert sind.
Auch Nicola Wenge, die Wissenschaftliche Leiterin des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg in Ulm, hebt die politische Bedeutung der Gedenkstätten angesichts von Antisemitismus und Rechtsradikalismus hervor. Nicola Wenge: „Die Gedenkstätten setzen dagegen: mit historischer Wissensvermittlung, mit klaren Stellungnahmen gegen den politischen Missbrauch von Geschichte und in dem sie Freiräume für einen demokratischen Lern- und Diskussionsprozess schaffen.“Der neue Film will darauf aufmerksam machen.