Wie oft war Gerd Müller in Heidenheim?
Mitunter bekommt die Hz-sportredaktion auch ungewöhnliche Hinweise aus ihrer Leserschaft. So ließ uns unlängst Hubert Gentner, lange Jahre für die Pressearbeit am Heidenheimer Fechtzentrum zuständig, die freundliche Bitte zukommen, die Herren Berichterstatter mögen doch mal in die Tiefen des Archivs abtauchen, um zu recherchieren, wie oft der vor kurzem verstorbene Gerd Müller in Heidenheim war.
Nun ja, es muss auf alle Fälle schon ein paar Tage her sein. Als Torpfosten noch aus Vierkant-hölzern gefertigt waren und Seitenlinien mit Sägemehl gestreut wurden, führte dieser Gerd Müller gegnerische Abwehrreihen serienweise in die Depression. Doch das ist länger her als mancher Hz-sportredakteur alt ist.
Also gibt man die Frage weiter an einen alten Hasen, einen Nostalgiker, der noch feuchte Augen bekommt, wenn er an Ente und Bulle denkt, an Eisenfuß und Rasenmäher, an Radi und Rudi. Der Schreiber dieser Zeilen ist so einer. Er hat den Bomber noch bomben sehen, den Mann, der so viele Bundesliga-tore schoss wie das Jahr Tage hat (365).
Gerd Müller in Heidenheim? Zum Glück hat Hz-leser Hubert Gentner in seinem Schreiben zwei Vorlagen gegeben. Mal abgesehen von den späten Jahren, als der Ausnahme-torjäger als Co-trainer von Hermann Gerland mit der zweiten Mannschaft des FC Bayern München zu Drittliga-spielen auf den Schlossberg kam, soll er mindestens zweimal in der Brenz-metropole gewesen sein. Einmal zu Beginn der 70erjahre zu einer Autogrammstunde und dann noch in den Achtzigern zu einem Promi-spiel.
Schon vor dem Gang ins Archiv lässt sich sagen: Herr Gentner hat Recht. Der Autor dieses Berichts weiß es deshalb, weil er bei beiden Veranstaltungen selbst dabei war. Das etwa ein halbes Jahrhundert alte Autogramm aus jenen Heidenheimer Tagen befindet sich noch in seinem Besitz, und zum Glück hat der Müller-gerd einen roten Filzstift genommen, sodass die Unterschrift trotz des vergilbten Fotos noch zu erkennen ist.
„Kaiser Franz“(Beckenbauer) und „Bomber Gerd“waren in ihrer spielerischen Blütezeit ins neueröffnete Kreissparkassen-gebäude in der Brenzstraße gekommen, und wer auch immer die Idee hatte, solche Stars für eine Autogrammstunde
zu verpflichten – es sei ihm heute noch gedankt.
Um Fußballprofis sehen zu können, musste man nämlich damals noch mindestens bis Stuttgart reisen. Und Stuttgart war seinerzeit gefühlt etwa so weit von Heidenheim entfernt wie die Nordsee von der Schwäbischen Alb. In den Osten Württembergs verliefen sich nur selten Männer, die mit ihrer Fußballkunst Geld verdienten, welches sie der damaligen Frisurenmode folgend wiederum nur selten fürs Haareschneiden ausgaben.
Immerhin: Wenige Jahre vor dem Autogramm-event waren die Bayern in Burgberg zu sehen. Den damaligen 21:1-Sieg gegen eine Kreisauswahl schaute sich sogar der Landrat live an. Es war ein paar Stunden nach der ersten Mondlandung durch Apollo 11, aber das interessierte in Burgberg an jenem Fußball-festtag allenfalls am Rande.
Als Franz Beckenbauer und Gerd Müller in der Sparkasse ihre Namen schrieben, war der Landrat vermutlich nicht dabei, aber das Gedränge war trotzdem groß – und der kleine Müller musste sich am Schalter vorkommen, als würde er manngedeckt.
Manngedeckt wurde er auch bei seinem zweiten Auftritt in Heidenheim. Das schmeckte dem Nördlinger im Promi-spiel Anfang Juni 1985 im Albstadion (Altinternationale gegen Brenztal-auswahl 5:1, allerdings kein Müller-tor) nicht so recht, und so hatte er mehr Schimpfworte als Ballbesitz. Vor allem Weltmeisterkollege Wolfgang Overath bekam seinen Frust zu spüren, weil der aus Sicht des diesmal erfolglosen Torjägers immer zu spät abspielte. Nach einer Stunde verließ Müller den Rasen – „im Zorn“, wie der damalige Hz-berichterstatter Klaus-dieter Haas bemerkte.
Ob es stimmt, dass der Bomber in der Heidenheimer Fußgängerzone seinen Frust zusammen mit dem Düsseldorfer Dieter Herzog noch mit einem leckeren Eis kühlte, wie Hz-leser Hubert Gentner vage in Erinnerung hat, lässt sich über das Archiv der Heidenheimer Zeitung nicht herausfinden. Nur so viel: Dieter Herzog (wer kennt noch den Wm-teilnehmer von 1974?) kann eigentlich nicht dabei gewesen sein. Sein Name fehlt jedenfalls in der Aufstellung der Altinternationalen. Aber vielleicht genoss er sein Eis ja inkognito.