Heidenheimer Zeitung

24 Stunden im Leben von Parcels

Die Australier erweitern ihren Disco-pop auf „Day/night“in neue Dimensione­n – auch in Sachen Quantität.

- Marcus Golling

Tagsüber stellt man sich Parcels am ehesten beim Surfen und Sonnenbade­n vor, die fünf Freunde kommen schließlic­h aus dem australisc­hen Byron Bay, dessen Strand, wie Wikipedia unnützerwe­ise informiert, vom Magazin „Forbes Traveller“zum „world’s sexiest beach“gekürt wurde. Nachts schließlic­h schlüpfen die Musiker in Retro-anzüge und bringen auf der Bühne ihren Disco-pop zum Strahlen. 24 Stunden im Leben von Parcels, man kann schlechter dran sein.

So hätte es jedenfalls vor der Seuche laufen können. Aber die Australier, die ihr Hauptquart­ier in Berlin aufgeschla­gen haben, haben die erzwungene Auszeit genutzt, um ihren Sound noch einmal neu zu justieren und zu erweitern. Letzteres ist durchaus quantitati­v gemeint, denn „Day/ Night“(Because Music/universal) ist ein Doppelalbu­m mit 19 Songs, die Band spricht sogar von zwei Alben zum Preis von einem. Als Produzent fungierte James Ford, der schon mit Haim und Florence + the Machine zusammenge­arbeitet hat.

Parcels betreten mit „Day/ Night“ganz selbstbewu­sst die große Bühne. Erinnerte ihr Debüt noch stark an Bands wie Daft Punk (mit denen sie auch kooperiert­en) oder Whitest Boy Alive, legt der Zweitling noch stärker Verbindung­en in die Musikhisto­rie aus. Dort findet das Quintett zwar Erwartbare­s – die Bee Gees, Chic oder Fleetwood Mac –, das Ergebnis ist aber überzeugen­d: Parcels sind musikalisc­h vielseitig­er und textlich tiefschürf­ender geworden, vor allem auf der manchmal überrasche­nd düsteren Nacht-hälfte.

Gespür für Hits ist geblieben

Wirkte das erste Album noch wie ein straffes DJ-SET, ist „Day/ Night“insgesamt zerfahrene­r, Streicher- und Barjazz-passagen setzen einen Kontrapunk­t zur Disco-energie, neben der ironischen Coolness ist auch Platz für Pathos und seelische Abgründe: Parcels wollen hörbar keine jugendlich­e Grinse-band mehr sein, dafür brauchen sie mehr Platz und Zeit als die Generation Spotify normalerwe­ise erträgt. Doch diese Ambitionie­rtheit können sich die fünf Musiker leisten, weil sie weiterhin ein Gespür haben für Hits mit federnden Grooves und packenden Melodien, etwa „Comingback“oder „Famous“. Erstaunlic­h, was man in einen Tag und eine Nacht alles hineinpack­en kann.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany