24 Stunden im Leben von Parcels
Die Australier erweitern ihren Disco-pop auf „Day/night“in neue Dimensionen – auch in Sachen Quantität.
Tagsüber stellt man sich Parcels am ehesten beim Surfen und Sonnenbaden vor, die fünf Freunde kommen schließlich aus dem australischen Byron Bay, dessen Strand, wie Wikipedia unnützerweise informiert, vom Magazin „Forbes Traveller“zum „world’s sexiest beach“gekürt wurde. Nachts schließlich schlüpfen die Musiker in Retro-anzüge und bringen auf der Bühne ihren Disco-pop zum Strahlen. 24 Stunden im Leben von Parcels, man kann schlechter dran sein.
So hätte es jedenfalls vor der Seuche laufen können. Aber die Australier, die ihr Hauptquartier in Berlin aufgeschlagen haben, haben die erzwungene Auszeit genutzt, um ihren Sound noch einmal neu zu justieren und zu erweitern. Letzteres ist durchaus quantitativ gemeint, denn „Day/ Night“(Because Music/universal) ist ein Doppelalbum mit 19 Songs, die Band spricht sogar von zwei Alben zum Preis von einem. Als Produzent fungierte James Ford, der schon mit Haim und Florence + the Machine zusammengearbeitet hat.
Parcels betreten mit „Day/ Night“ganz selbstbewusst die große Bühne. Erinnerte ihr Debüt noch stark an Bands wie Daft Punk (mit denen sie auch kooperierten) oder Whitest Boy Alive, legt der Zweitling noch stärker Verbindungen in die Musikhistorie aus. Dort findet das Quintett zwar Erwartbares – die Bee Gees, Chic oder Fleetwood Mac –, das Ergebnis ist aber überzeugend: Parcels sind musikalisch vielseitiger und textlich tiefschürfender geworden, vor allem auf der manchmal überraschend düsteren Nacht-hälfte.
Gespür für Hits ist geblieben
Wirkte das erste Album noch wie ein straffes DJ-SET, ist „Day/ Night“insgesamt zerfahrener, Streicher- und Barjazz-passagen setzen einen Kontrapunkt zur Disco-energie, neben der ironischen Coolness ist auch Platz für Pathos und seelische Abgründe: Parcels wollen hörbar keine jugendliche Grinse-band mehr sein, dafür brauchen sie mehr Platz und Zeit als die Generation Spotify normalerweise erträgt. Doch diese Ambitioniertheit können sich die fünf Musiker leisten, weil sie weiterhin ein Gespür haben für Hits mit federnden Grooves und packenden Melodien, etwa „Comingback“oder „Famous“. Erstaunlich, was man in einen Tag und eine Nacht alles hineinpacken kann.