„Bei der Bürokratie drückt der Schuh“
Die Corona-pandemie ist der große Schrecken für die Unternehmen. Von einer Ampelkoalition erhofft Dihk-präsident Adrian einen Schulterschluss bei zentralen Themen wie dem Klimaschutz.
Unternehmer sollten in der Öffentlichkeit mehr Wertschätzung erfahren. Das hat sich Peter Adrian zum Ziel gesetzt, der seit März als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) einen großen Teil der Unternehmen vertritt. Mit diesem ehrenamtlichen Engagement wolle er dazu beitragen, dass sich das Unternehmerbild verbessere, sagte der Unternehmer aus Trier im Interview mit unserer Zeitung. Vielen sei nicht bewusst, wie sehr gerade die Inhaber kleinerer und mittelständischer Unternehmen jeden Tag um ihre Existenz kämpfen müssten.
Die Corona-infektionen steigen wieder stark. Befürchten Sie einen neuen Lockdown mit Problemen für die Wirtschaft? Peter Adrian:
Wenn wir einen neuen Lockdown bekämen, hätte das erhebliche negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. In unserer jüngsten Umfrage melden aus der Gastronomie, bei den Hotels oder der Freizeitwirtschaft mehr als die Hälfte der Betriebe Finanzierungsprobleme. Es ist sehr wichtig, dass wir weiter konsequent mit Impfen, Testen und dem Einsatz digitaler Tools für die Eingrenzung möglicher Infektionsherde die vorhandenen Risiken minimieren. So können wir mit der Pandemie leben und wirtschaften. Meine persönliche Hoffnung ist, dass wir mit noch mehr Impfdichte zu mehr Normalität zurückkommen.
Die künftige Ampelkoalition will schon vorab die 3G-regel am Arbeitsplatz einführen. Wäre das gut und praktikabel?
Als Unternehmer haben wir großes Interesse daran, Infektionen und Erkrankungen unserer Mitarbeiter und Kunden zu verhindern. Es wäre dabei sehr hilfreich zu wissen, wer geimpft, genesen und getestet ist. Uns erreichen dazu viele Rückmeldungen – etwa von Gastwirten, die nicht verstehen, dass sie derzeit zwar jeden Gast nach einem Impfausweis fragen dürfen, nicht aber das eigene Personal.
Wenn auch noch eine tägliche Testpflicht kommt, könnten das die Unternehmen überhaupt bewältigen?
Je nach Betrieb und Branche ist es täglich schon ein enormer Aufwand. Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern immer noch zwei kostenlose Tests pro Woche anbieten. Wenn ich in meine eigenen Unternehmen sehe, denke ich, dass das ausreicht. Die allermeisten sind geimpft und können gut Abstand halten. Das kann in anderen Branchen ganz anders aussehen. Es hängt viel davon ab, wie das Risiko zu bewerten ist und wie viele Kontakte die Beschäftigten haben.
Die Corona-wirtschaftshilfen laufen Ende des Jahres aus. Sollten sie verlängert werden?
Die Hilfsprogramme basieren auf der Annahme, dass die Krise jetzt vorbei ist. Das ist aber nicht so. Deshalb sind jetzt Anpassungen erforderlich – etwa bei der Steuer: Die Verluste aus 2020 und 2021 müssen die geschwächten Betriebe leichter mit Gewinnen aus früheren Jahren verrechnen können.
Das spielt auch in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle. Gehen sie in die richtige Richtung?
Das Sondierungspapier hat sehr vernünftige Ansätze gebracht, weil es zwischen den Zeilen Pragmatismus ausstrahlt und wir uns erhoffen können, dass die potenziellen Koalitionäre die Belange der Wirtschaft berücksichtigen. Die Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu mehr Klimaschutz und Co2-neutralität ist eine große Herausforderung für alle. Nötig ist auch ein Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft.
Wo sehen Sie den größten Reformbedarf für eine Ampelkoalition in der neuen Legislaturperiode?
Bei der
Bürokratie drückt der
Schuh am meisten, hat unsere Unternehmensumfrage vor der Wahl ergeben. Da kann ich auch aus eigener Erfahrung sprechen. Wenn ich einen Bauantrag für eine relativ einfache Abstellhalle stelle und nach monatelanger Wartezeit eine Baugenehmigung mit 30 Seiten Bedingungen und Auflagen bekomme, mag das alles begründet sein. Aber es macht der Wirtschaft das Leben schwer. Über Bürokratieabbau wird schon lange geredet. Passiert ist offenbar nichts. Ganz wenig. Für mich beginnt der Bürokratieabbau in den Köpfen. Wenn sich die Amtsleitung einer Behörde zum Ziel gemacht hat, den Bürgern bei ihren legitimen wirtschaftlichen Anliegen zu helfen, ist das schon die halbe Miete. Aber wenn da jemand sitzt, der nur Sand ins Getriebe streut, gibt es selten konstruktive Ergebnisse.
Was darf in der neuen Legislaturperiode auf keinen Fall passieren?
Das größte Risiko für unsere weltweit so stark verflochtene Wirtschaft sind Alleingänge. Wir schaffen die Transformation der deutschen Wirtschaft nur, wenn die Politik auf Bundes- und Eu-ebene mit internationalen Absprachen sicherstellt, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren. Da stehen erst einmal die energieintensiven Unternehmensbereiche im Vordergrund. Aber es strahlt auf die gesamte Wirtschaft aus.
Wie groß ist die Gefahr, dass viele Mittelständler die Transformation nicht schaffen und durch Insolvenz viele Arbeitsplätze verloren gehen?
In manchen Branchen ist diese Gefahr sehr real. Ein Beispiel: Wenn ein mittelständischer Autozulieferer, der in Deutschland
Formteile für die Karosserie herstellt, aufgrund staatlicher Vorgaben wie etwa durch den nationalen Co2-preis im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig ist, muss er möglicherweise aufgeben, weil die Mitbewerber im Ausland günstiger produzieren können. Kann die Politik etwas dagegen tun? Ja, das ist ihre Aufgabe. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist und Zeit braucht. Der Transformationsprozess muss in allen wichtigen Wirtschaftsräumen ähnlich stattfinden. Wir müssen mit Amerika und Asien gemeinsame Wege entwickeln.
Die Ampelkoalitionäre wollen viel Geld in den Klimaschutz investieren. Hielten Sie es für akzeptabel, dass der Staat dafür mehr Schulden macht?
Investitionen in den Klimaschutz nur zu Lasten des Staatshaushalts sind nicht der richtige Weg. Die Initiative privater Investoren ist viel effizienter und sinnvoller. Zwar muss der Staat in einigen Bereichen selbst aktiv werden, aber das meiste müssen die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft investieren. Sind dann Superabschreibungen ein guter Weg, wie sie die FDP ins Gespräch gebracht hat? Erhöhte Abschreibungen sind zweifellos ein guter Investitionsanreiz, ein besserer Verlustrücktrag genauso.
Das größte Risiko für unsere weltweit verflochtene Wirtschaft sind Alleingänge. Peter Adrian