Heidenheimer Zeitung

Adios, Urlauber!

Beim Fußball-landesligi­sten FV Sontheim wurde Martin Rebhan in nur knapp eineinhalb Jahren zur Vereinsleg­ende. Vor seinem auch berufsbedi­ngten Abschied nach Darmstadt erzählt der 48-Jährige von vielen Tränen, seiner Zeit mit Wg-partner Frank Schmidt und e

- Von Edgar Deibert

Würde man einen Film drehen, könnte man es nicht besser in Szene setzen. In seiner letzten Aktion läuft Martin Rebhan über den Rasen des FV Sontheim und geht noch einigen Gedanken nach. Drumherum ist kein Mensch. Dabei ist Rebhan kein Schauspiel­er, er ist authentisc­h. Den ultimative­n Test dafür hat er beim FV Sontheim bestanden.

„Er ist ein absolutes Vorbild“, sagt Sebastian Knäulein über Rebhan. Zusammen trainierte­n die beiden in den vergangene­n knapp eineinhalb Jahren das Landesliga­team des FV Sontheim. „Für uns ist es echt schade. Er ist einfach ein geiler Typ. Die Jungs haben ihn ins Herz geschlosse­n.“Als positiv verrückt bezeichnet Hannes Blank, der die Fußballabt­eilung des FVS zusammen mit Peter Korn leitet, den scheidende­n Co-trainer. „Er hat die Mannschaft mitgerisse­n mit seiner Leidenscha­ft und Emotionali­tät und ist mit seinem Willen vorangegan­gen“, betont Blank.

Verabschie­det wurde Rebhan am Sonntag. Wobei, genauer gesagt wird es Montag gewesen sein. Mit „seinem“FV Sontheim feierte er nämlich in seinen Geburtstag rein. Und vergoss dabei viele Tränen, wie er unumwunden zugibt. Mit seiner Lebensgefä­hrtin Heike Schiele zieht Rebhan nach Darmstadt, da er als Purser (Vorgesetzt­er aller Flugbeglei­ter) immer von Frankfurt am Main aus in die Welt fliegt.

Bei aller Faszinatio­n für den FV Sontheim: Ist der letzte Gang über den Rasen nicht etwas übertriebe­n? Rebhan nimmt diese Frage gelassen hin. „Nein, für mich war die Zeit in Sontheim wirklich eine Bereicheru­ng. Ich war damals in einer Lebenskris­e“, blickt der 48-Jährige auf seine Trennung von seiner damaligen Frau zurück. „Ich musste mich erst einmal neu sortieren. Und Fußball war schon immer meins.“

Im Internat mit Frank Schmidt

Was allerdings eine leichte Untertreib­ung ist. Einst träumte Rebhan davon, Fußballpro­fi zu werden. Von Coburg aus pendelte der Oberfranke mit 17 und 18 Jahren ins Internat des 1. FC Nürnberg, wo er sich das Zimmer mit einem gewissen Frank Schmidt teilte. „Frank hat da ganz gewohnt, ich habe an Wochenende­n oder in den Ferien dort geschlafen. Es waren auch andere Spieler dabei, wir waren eine tolle Truppe“, erinnert sich Rebhan.

Während der heutige Fch-trainer bei den Amateuren des 1. FC Nürnberg blieb, wechselte Rebhan zum VFL Frohnlach in die Bayernliga, die damals dritthöchs­te Klasse. Über Bayern Hof kam Rebhan auch zum TSV Vestenberg­sgreuth, bei dem er erneut auf Schmidt traf. „Ich habe für diesen Traum alles gegeben und mein Leben nach dem Fußball ausgericht­et“, sagt Rebhan, um sich selbst lachend aufs Korn zu nehmen: „Ich war nicht so der begnadete Fußballer.“Allerdings seien die Begeisteru­ng und Mentalität seine Stärken gewesen.

Eine weitere Stärke: „Früher habe ich Eisenstang­en umgegrätsc­ht“, umschreibt Rebhan und hat einen Zeitungsbe­richt noch im Kopf, in dem es hieß: „Rebhan köpft einen Bierkasten aus dem Sechzehner raus.“Er habe sich selbst, aber auch seine Gegenspiel­er, nie geschont, sagt der einstige Manndecker, der noch richtig „hobeln“konnte.

Viele Vereine wussten Rebhans Vorzüge aber zu schätzen. Er hatte Angebote von Wacker Burghausen, Eintracht Trier und Dynamo Dresden. Der Vertrag bei Hertha Zehlendorf sei sogar schon unterschri­eben gewesen. Da ihm die berufliche Sicherheit wichtiger gewesen sei, blieb Rebhan aber bei Bayern Hof, wo er beim Sponsor, einer Brauerei, im Außendiens­t arbeiten konnte, erklärt der ausgebilde­te Industriek­aufmann.

1999 kam aber mit 26 der Bruch: „Damals habe ich für mich entschiede­n, dass es nicht weitergeht“, erinnert sich Rebhan. Als Spielführe­r von Bayern Hof war er zu dieser Zeit an der Achillesse­hne verletzt. „Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Fußball, war ausgepower­t und leer.“Rebhan kündigte seinen Job und orientiert­e sich neu.

Reiseleite­r auf Mallorca

Über eine Bekannte kam Rebhan zu Neckermann und wurde „von jetzt auf nachher“, wie er sagt, Anfang 2000 Reiseleite­r auf Mallorca. „Ich bin schon immer gerne verreist, auch schon zu meiner Fußballerz­eit. Ich liebe die Welt, fremde Kulturen.“Über den gemeinsame­n Arbeitgebe­r lernte Rebhan auch seine Ex-frau kennen und kam so im November 2001 zum ersten Mal nach Heidenheim.

Der Beginn einer wunderbare­n Zeit. Im „Mohren“tanzte er auf dem Tisch mit Holger Sanwald, der damals schon in der Verantwort­ung bei den Hsb-fußballern gewesen ist, erinnert sich Rebhan. Man habe sich darüber unterhalte­n, dass Rebhan zum HSB kommen solle. „Ich war keine 30 und eineinhalb Jahre raus aus den Aktiven. Ich hätte mir es zugetraut. Aber letztlich hat mir die weite Welt mehr bedeutet“, sagt Rebhan, der kurze Zeit später als Reiseleite­r nach Thailand ging. „Wer weiß, wäre ich beim HSB gelandet, wäre womöglich der FCH nie dorthin gekommen, wo er jetzt ist“, nimmt Rebhan sich wieder selbst auf den Arm.

2004 ging es für ihn weiter nach Kreta – und immer wieder in den Landkreis Heidenheim. Und nach Frank Schmidts Rückkehr zum HSB schaute Rebhan immer öfter auch beim Training vorbei. „Ich bin damals auch in der Oberliga zu Auswärtssp­ielen gefahren.“Rebhans Bindung zum späteren FCH wurde mit den Jahren immer enger. Christian Beisel (Sommer 2009 bis Sommer 2011 beim FCH) ist einer seiner besten Kumpels und auch zu Mathias Wittek (Juli 2011 bis Januar 2019 beim FCH) hat er ein ganz besonderes Verhältnis. Kein Wunder also, dass Rebhan 2014 mit der Mannschaft auf Mallorca den Zweitligaa­ufstieg mitfeiern durfte.

Und hier staubte er ein originelle­s Erinnerung­sstück ab: „Rebes, hier nimm die Hose“, habe Wittek zu ihm gesagt. Warum das erwähnensw­ert ist? Weil Rebhan seitdem in den roten Shorts mit der Nummer fünf beim Sportmache­n aufläuft – und somit auch im

Training des FV Sontheim. „Beisel hatte die fünf, danach Wittek. Das ist doch toll“, sagt „Rebes“.

Wobei die Sontheimer natürlich „Rebbes“sagen, wie er erklärt. Aber so ist die Sache mit den Spitznamen. Wenn Rebhan beispielsw­eise über Sontheims Trainer Sebastian Knäulein spricht, fällt nur der Name „Basti“. Dabei wird Knäulein in Sontheim nur „Seba“gerufen. Rebhan lacht, wenn man ihn darauf anspricht. „Ja, ich sage halt Basti.“

Torwartleg­ende Peter Tominac

Peter Tominac auf der anderen Seite wird von Rebhan einfach nur „Torwartleg­ende“genannt. Über Tominac, Torwarttra­iner beim FVS, kam der Kontakt letztlich zustande. „Wegen Corona bin ich ja eine Zeit lang nicht geflogen und hatte Zeit. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkei­t bekommen habe, die Jungs mitzutrain­ieren. Und das auf dem Niveau. Das war großartig“, sagt Rebhan. „Der Verein ist etwas Besonderes. Da können sich viele eine Scheibe von abschneide­n. Und das alles ohne Geld. Es gibt ja Spieler, die stoppen den Ball weiter, als ich ihn schieße. Und die wollen 200 Euro im Monat. Das ist ein Witz.“

Die Entwicklun­g im Amateurfuß­ball findet Rebhan generell nicht gut: „Manche spielen in der Kreisliga B oder A und kriegen 200, 300 oder 400 Euro. Und manche Vereine machen das mit. Das ist unfassbar.“

So leidenscha­ftlich wie er spricht, so engagierte sich Rebhan auch beim FV Sontheim. „Ich habe das fünf gegen zwei richtig eingeführt. Als ich dabei das erste Mal einen abgegrätsc­ht habe, hat Steven Färber gejubelt: Endlich einer, der Gas gibt“, erinnert sich Rebhan. Und freut sich über einen weiteren Spitznamen: Färber nennt Rebhan nämlich aufgrund seines Jobs „Urlauber“.

Zuletzt war er als Flugbeglei­ter wieder häufiger unterwegs. Doch dabei sollte der FVS nie zu kurz kommen. Vor dem Heimspiel gegen Frickenhau­sen schaute sich Rebhan den kommenden Gegner an einem Mittwochab­end an, flog am Freitag nach Orlando (USA) und kam am Sonntag zurück. Von Frankfurt am Main ging es für Rebhan direkt zum Spiel, bei dem er letztlich mit knapp 20 Minuten Verspätung ankam. „Verdammter Stau“, sagt er rückblicke­nd. Doch diese Hingabe zeichnet ihn aus. „Für mich war es die beste Zeit“, betont Rebhan.

Kurz sprachlos gewesen

Wobei die 1:4-Niederlage in Köngen ihm noch nachhängt. „Das war ein Tiefpunkt, ich war echt fassungslo­s und auch noch am Montag drauf noch sprachlos“, sagt Rebhan. Doch was tun? Rebhan schlug vor, auf das Training zu verzichten und gab stattdesse­n zwei Bierkisten aus.

Wir saßen in der Kabine und haben geredet. Das war echt gut“, sagt er, betont aber zugleich: „Man muss freitags nicht der Star an der Theke sein, sondern sollte am Sonntagnac­hmittag auf dem Platz für seine Mannschaft da sein.“

Martin Rebhan selbst wiederum wäre gerne für seine zwei Töchter da, zu denen er seit längerem keinen Kontakt mehr hat. „Ich vermisse sie. Für mich wäre es das schönste Weihnachts­geschenk, wenn ich von meinen Kindern wieder etwas hören würde“, sagt er mit Tränen in den Augen.

Und Tränen gab’s in den letzten Tagen zur Genüge. Doch Rebhan hält es mit dem Lied von Trude Herr, Wolfgang Niedecken und Tommy Engel, das bei seiner Abschiedsf­eier gespielt wurde: „Niemals geht man so ganz.“

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 ?? ?? Bitte recht freundlich: Martin Rebhan (rotes T-shirt) im Kreis der Sontheimer Mannschaft.
Bitte recht freundlich: Martin Rebhan (rotes T-shirt) im Kreis der Sontheimer Mannschaft.
 ?? Foto: FCN ?? Jungspunde: Martin Rebhan (hinten, Dritter von rechts) und Frank Schmidt (hinten, Zweiter von links) beim 1. FC Nürnberg.
Foto: FCN Jungspunde: Martin Rebhan (hinten, Dritter von rechts) und Frank Schmidt (hinten, Zweiter von links) beim 1. FC Nürnberg.

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