Heidenheimer Zeitung

Nachfolger für den Tornado

Bundeswehr/oliver Pieper/dpa Die Truppe braucht dringend neue Kampfflugz­euge. Ausgerechn­et eine Verteidigu­ngsministe­rin der SPD soll dafür sorgen, dass diese auch Us-atomwaffen transporti­eren können.

- Von Ellen Hasenkamp

Sogar der Lack muss ab beim Bundeswehr-tornado mit der Kennung 43+42. „Dry Stripping“heißt das Verfahren, an dessen Ende der Kampfflieg­er sozusagen nackt im Hangar steht und auf Schäden auch in der Außenhülle untersucht werden kann. Die Maschine ist, wie viele andere auch, nach fast 40 Jahren im Dienst der Bundeswehr reif für die Generalsan­ierung. Die gesamte Tornado-flotte hat ihre ursprüngli­che Lebensdaue­r längst überschrit­ten, nur aufwendige Pflege und Instandset­zung halten die Flugzeuge noch in der Luft. Vier Jahre dauerte es beispielsw­eise, ehe Tornado 43+42 runderneue­rt zu seinem Geschwader zurückkehr­en konnte.

85 der Flieger hat die Bundeswehr im Bestand, wie viele davon überhaupt startklar sind, ist geheim. „Die Tornados sind eigentlich museumsrei­f“, sagt der Fdp-verteidigu­ngspolitik­er Marcus Faber. Die Bundeswehr drückt es ein bisschen dezenter aus: „Trotz einzelner Modernisie­rungen handelt es sich im Kern um Luftfahrze­uge eines vergangene­n Technikzei­talters“. Fest steht: Ersatz muss her – und das möglichst bald. 2030 endet die Nutzungsze­it endgültig, und wer die hochkompli­zierten Beschaffun­gsprozesse der Bundeswehr kennt, der weiß, wie knapp die verbleiben­de Zeit ist. „Die Nachfolge-entscheidu­ng hätte eigentlich schon vor zehn Jahren gefällt werden müssen“, kritisiert Faber.

Schuld an der Verzögerun­g sind, zumindest aus Sicht der Union, die Sozialdemo­kraten: „Es ist beschämend, wie lange die SPD einer Nachfolger­egelung für den Tornado im Weg gestanden ist“, schimpft der Cdu-verteidigu­ngspolitik­er Henning Otte nach jahrelange­m Gezerre in der Großen Koalition.

Ein Grund dafür: Die Entscheidu­ng birgt buchstäbli­ch atomares Sprengpote­nzial. Zu den Funktionen der Bundeswehr-tornados gehören nämlich nicht nur Aufklärung und Kampf, sondern auch, im Falle eines Falles die in Deutschlan­d gelagerten USAtombomb­en ans Ziel zu bringen. „Nukleare Teilhabe“wird das in der Nato genannt – und es macht die Nachfolgef­rage um einiges komplizier­ter, als es derart gigantisch­e Rüstungspr­ojekte ohnehin schon sind. Denn diese nukleare Teilhabe schien zwischenze­itlich vor allem in der SPD nicht mehr selbstvers­tändlich zu sein.

Im Koalitions­vertrag haben sich SPD, Grüne und FDP nun festgelegt: „Wir werden zu Beginn der 20. Legislatur­periode ein Nachfolges­ystem für das Kampfflugz­eug Tornado beschaffen“, heißt es dort. Und ausdrückli­ch fügen die Regierungs­partner hinzu: „Den Beschaffun­gs- und Zertifizie­rungsproze­ss mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlan­ds werden wir sachlich und gewissenha­ft begleiten.“

Ob und wie sehr um die Festlegung gerungen wurde, darüber wollen die Beteiligte­n nicht gerne sprechen. Otte ist jedenfalls erstaunt, dass die SPD „zur Tornado-nachfolge plötzlich eine neue Haltung hat“. Gerade jetzt aber, so mahnt der Cdu-politiker, da der russische Präsident Wladimir Putin mal wieder die Ukraine bedrohe, „sollte die Ampel die Botschaft von Geschlosse­nheit und Stärke vermitteln“.

Die Sache durchbring­en muss nun eine Sozialdemo­kratin, die neue Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht. Faber fordert von ihr möglichst schnell „eine rechtlich bindende Vorlage dazu“und eine Entscheidu­ng im Parlament noch im laufenden Jahr. Dass es „zügig“gehen müsse, bekräftigt­e auch Lambrecht selbst vor wenigen Tagen, fügte aber hinzu: „Ich habe mir vorgenomme­n, mich umfassend informiere­n zu lassen, denn es ist keine Entscheidu­ng, die man mal übers Knie bricht.“

Tatsächlic­h hat die Sache noch eine weitere Dimension: Wird europäisch eingekauft oder amerikanis­ch? Völlig frei sind die Deutschen dabei nicht. Denn egal für welches Flugzeug sie sich entscheide­n, die Freigabe für den Atomwaffen­transport müssen sie in die Hände der USA legen. Zertifizie­rung heißt der Prozess, ohne den es keine nukleare Teilhabe gibt. Dahinter verbirgt sich ein Verfahren, das man sich wohl noch ein bisschen grundsätzl­icher als eine Tornado-renovierun­g vorstellen muss: Das Flugzeug samt Elektronik wird quasi vollständi­g auseinande­rgebaut und auf Zuverlässi­gkeit geprüft. Ob das dann fünf, zehn oder noch mehr Jahre dauert, dürfte stark von der Nationalit­ät des Fliegers abhängen. „Bei Us-modellen ist davon auszugehen, dass die erforderli­che Zertifizie­rung schneller und unkomplizi­erter erfolgt als bei einem europäisch­en Modell“, sagt Faber. Und ob es wiederum im Sinne der militärisc­hen Eigenständ­igkeit Europas wäre, wenn das Innenleben der Eurofighte­r im Us-staatsauft­rag komplett durchleuch­tet würde, ist ebenfalls fraglich. Lambrecht schreckt das vorerst nicht. Sie habe „natürlich auch insbesonde­re eine Präferenz, ob wir eine europäisch­e Lösung anstreben können“, sagte sie. Viel Zeit zur Auswahl bleibt nicht mehr.

Viel Zeit für die Auswahl bleibt nicht. Der Jet muss von den USA erst zertifizie­rt werden.

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Technik aus einer anderen Zeit: Ein Tornado-kampfflugz­eug.foto:
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Foto: Kay Nietfeld/dpa Christine Lambrecht (SPD) bevorzugt eine europäisch­e Lösung.

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