Bissiger Hund darf zurück
Kurz vor Heiligabend biss ein Kangal eine Frau und später einen Artgenossen. Das Ordnungsamt hat entschieden, wie es mit dem Tier weitergeht. Die Tierheim-experten sehen das mit Skepsis. Foto: stock.adobe.com/berkay08
Das Heidenheimer Ordnungsamt hatte den Hund nach den Attacken am Donnerstag vor Weihnachte beschlagnahmt und ihn in die Obhut des Tierheims in Heidenheim übergeben. Nun darf der Hund, ein Kangal, wieder zurück zum Besitzer – allerdings unter Auflagen, wie die Pressestelle des Heidenheimer Rathauses bestätigt. „Der Hund wurde als gefährlicher Hund eingestuft, was zur Folge hat, dass ab sofort außerhalb des befriedeten Besitztums eine Maulkorbund Leinenpflicht gilt.“Dem ermittelten Hundehalter sei diese Verfügung persönlich am 29. Dezember zugestellt worden.
Die Entscheidung verwundert die Fachleute vom Tierheim. „Ich persönlich kann die Entscheidung vom Ordnungsamt nicht nachvollziehen“, sagt Vorsitzender Stefan Hitzler. Er halte es nicht für sinnvoll, den Hund an einen Halter zurückzugeben, der vorher schon nicht in der Lage gewesen sei, den Hund sicher zu führen. Über die Entscheidung seien die Mitarbeiter des Tierheims bereits vor dem Jahreswechsel informiert worden, doch gestern sei der Hund noch im Tierheim gewesen, der Besitzer habe ihn noch nicht abgeholt.
Was über die Attacke bekannt ist
Laut Hitzler hatte der Halter schon zuvor Probleme mit dem Hund und diesen deshalb an eine Betreuungsperson übergeben. Doch auch diese hatte wenig Einfluss auf den Hund, der am Donnerstag entwischt war. Gegen 18.20 Uhr entdeckte ihn eine 24 Jahre alte Passantin auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Die junge Frau fing den herrenlosen Hund ein, der daraufhin der Frau ins Gesicht biss. Der Hund riss sich erneut los und rannte dann auf einen Pudel zu, den ein Passant an der Leine führte. Auch
den Pudel biss und verletzte er. Laut Polizeiangaben konnte der Hund erst nach 20 Minuten eingefangen werden von einem Bekannten des Hundehalters.
Bändigen mit Beruhigungsmittel
Was dann geschah, ist für Stefan Hitzler ein Hinweis auf die unzureichenden als aggressiv und gefährlich verurteilt. Oft bringen unerfahrene Hundehalter sich einen Welpen aus dem Urlaub mit und sind schnell überfordert. Viele Vertreter der Rasse landen daher früher oder später im Tierheim und sind nur schwer zu vermitteln. Denk immer daran, dass der Hund durch falsche Erziehung und mangelnde Sachkunde des Halters zu einem gefährlichen Hund gemacht wird. Von Natur aus böse ist ein Vierbeiner im Allgemeinen nicht.“ die wüssten, wie mit dem Hund und dieser Rasse umzugehen ist. „Man muss das Wesen eines Kangals verstehen“, so Hitzler. Seit Jahrhunderten lebe er in der Gegend von Anatolien als Hütehund, um frei lebende Schafherden zu bewachen. Anders als in Deutschland lebe der Hund ohne Schäfer in der Schafherde und greife alles an, was sich den Schafen nähere. Deshalb habe der Kangal ein selbstbewusstes, territoriales Verhalten. Im Tierhein hätten die Mitarbeiterinnen dem Hund problemlos den Maulkorb abnehmen und auch wieder aufziehen können, sie konnten ihn auch streicheln, ohne dass das Tier aggressiv reagiert habe.
Die Betreuungsperson indes habe diesen Einfluss auf das Tier nicht gehabt. „Deshalb kann ich die Entscheidung des Ordnungsamts nicht nachvollziehen.“
Tödliche Attacke im Jahr 2017
In die Schlagzeilen war der Kangal in Baden-württemberg im Jahr 2017 geraten. Damals hatte ein Hund dieser Rasse eine 72-jährige Frau mit Bissen in Hals und Kopf getötet. Der Hund hatte sich in einem Garten in Frohnstetten, einem Teilort der Gemeinde Stetten am kalten Markt im Landkreis Sigmaringen, von der Kette losgerissen, war über den Zaun gesprungen und hatte die Rentnerin angegriffen. Die Frau starb kurz nach der Attacke an ihren schweren Verletzungen. Das Amtsgericht Sigmaringen verurteilte die 44-jährige Halterin wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung. Der von ihr getrennt lebender Ehemann bekam ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung zwei Jahre auf Bewährung. Das Landgericht Hechingen bestätigte das Urteil in zweiter Instanz.