Im Schatten des Kriegs
Pakistan ist mehr als doppelt so groß wie Deutschland. 220 Millionen Menschen leben dort. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser. Wochenlang. Ernten wurden vernichtet, Hunderte ertranken, Millionen sehen sich mit Obdachlosigkeit und Seuchen konfrontiert. Aber in Europa hat man andere Sorgen. Zum Beispiel ist die Zukunft der britischen Monarchie ungewiss. Und dann ist da ja dieser Krieg gegen die Ukraine, dessen Folgen fast unsere gesamte Aufmerksamkeit absorbieren. Ist das ein Wunder, angesichts der atomaren Drohungen des Kreml?
Aber anderswo dreht sich das Leben in Diktaturen, in Kriegs- und Katastrophengebieten weiter. Alle vier Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger. 50 Millionen Menschen in 45 Ländern sind nur noch einen Schritt vom Hungertod entfernt, heißt es in einem offenen Brief von 238 Nichtregierungsorganisationen an die Un-vollversammlung. Der Ukraine-krieg verschärft den Hunger. Aber dieser hat viele Ursachen. In Somalia, wo es seit Jahren nicht geregnet hat, ist die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt. In Äthiopien ist der Krieg zurück, in Syrien hat er nie aufgehört, der Irak kommt nicht zur Ruhe. Afghanistan? Furchtbare Zustände nach einem Jahr Taliban-herrschaft. 20 Jahre haben wir dorthin Soldaten geschickt. Nun beschäftigen wir uns damit, ob das richtig war. Und was ist mit der Gegenwart?
Und über allem schwebt die Gefahr, dass die Erderwärmung nicht nur nicht aufzuhalten ist, sondern dass die Folgen nicht beherrschbar sind. Vertreter der indigenen Völker Südamerikas berichten, dass 26 Prozent des Regenwaldes im Amazonasbecken unwiederbringlich verloren sind. Abholzung und Brände hören aber nicht auf. Und der menschengemachte Co2-ausstoß hat ein Rekordhoch erreicht.
Alles schon hundertmal gehört oder gelesen? Nichts Neues dabei? Vielleicht ist ja gerade das das Problem. Und der Krieg in Europa, der so viel Leid verursacht und so vieles in der Welt schlechter macht, verdeckt, wie wenig wir bei der Lösung globaler Probleme vorankommen. Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug und in Europa haben die mit den einfachsten und dümmsten Antworten
Globale Probleme werden verdeckt. Und die dümmsten Antworten auf komplexe Fragen finden Zulauf.
auf komplizierte Fragen wachsenden Zulauf. In Schweden, Italien, Ungarn. Hierzulande versucht die AFD aus allem, was die Menschen ängstigt, Honig zu saugen.
Die einfachen Antworten führen nur zu neuem Unheil. Kipppunkte in der Entwicklung drohen – und dass das Wort „irreversibel“bedeutet: Nichts kann mehr repariert werden, das könnten wir sehr bald auch außerhalb von Krankenhäusern lernen.
Dabei ist die Lage nicht hoffnungslos. Die Menschheit hat in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg viele ermutigende Fortschritte gemacht. Die allerdings sind leider nicht irreversibel. Die kann man, wie wir immer wieder sehen, rückgängig machen. Das kann verhindert werden, wenn wir uns der Lage stellen. Der gesamten Lage. Wenn wir nicht an einem Krieg verzweifeln. Und wenn wir diese ganze komplizierte Welt nicht im Stich lassen.