Risse als Risikofaktor?
Wegen Rohrschäden wollen Akw-gegner den Betrieb von Neckarwestheim 2 stoppen. VGH wird sich damit befassen.
Neckarwestheim. In der Diskussion um eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke fordern Atomkraftgegner die sofortige Abschaltung aller potenziellen Reserve-reaktoren. Etwas anderes lasse der derzeit ausgeblendete akute sicherheitstechnische Zustand der Reaktoren Neckarwestheim-2, Isar-2 und Lingen/ Emsland nicht zu, betonte die Anti-akw-organisation „ausgestrahlt“am Donnerstag. Die Probleme mit Rissen an den Heizrohren in den Dampferzeugern in Neckarwestheim und Lingen seien seit Jahren bekannt – und wegen ähnlicher Bauweise auch bei Isar 2 zu vermuten.
Da die weitere Entwicklung der korrosionsbedingten Risse nicht präzise vorhersagbar sei, bestehe die Gefahr eines Abrisses der Rohre zwischen zwei Revisionen, sagte „ausgestrahlt“vertreter Dieter Majer, ein früherer Ministerialdirigent im Bundesumweltministerium. Das könnte im schlimmsten Fall zu einer Kernschmelze führen, warnte er. Die schon heute an der Gefahrengrenze arbeitenden Kraftwerke könnten nicht als Garanten einer Netzstabilität herangezogen werden, fügte der Atomkraftgegner hinzu.
In Neckarwestheim (Kreis Ludwigsburg) ist nach den Angaben der Atomkraftgegner die letzte Revision im Juni wegen der geplanten Abschaltung Ende des Jahres deutlich vereinfacht erfolgt. Deshalb sei anzunehmen, dass die Zahl von 36 neuen Rissen in etwa doppelt so hoch sei, mutmaßen sie. Neben den Sicherheitsbedenken stelle auch eine beim Verwaltungsgerichtshof Baden-württemberg anhängige Klage die Verlässlichkeit des Meilers infrage. Dabei wollen zwei Anwohner mit Unterstützung von „ausgestrahlt“und dem Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) erreichen, dass der Anlage die Betriebserlaubnis entzogen wird. Die mündliche Verhandlung in Mannheim ist für 14. Dezember anberaumt.
Das für die Genehmigung zuständige Umweltministerium des Landes und der Betreiber ENBW weisen den Vorwurf mangelnder Sicherheit zurück. Das Land ist Großaktionär des Energieversorgers. Die Atomkraftgegner werfen dem Ministerium vor, die Erlaubnis recht willkürlich zu vergeben, um ENBW nicht zu schaden.
Nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sollen die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim von Januar bis Mitte April als Notreserve bereitstehen, um Strom zu produzieren, wenn der Winter hart und der Energieverbrauch hoch ist. Nachdem aber Isar 2 nun wegen eines verschlissenen Ventils repariert werden muss und dann nur noch einmal hochgefahren werden kann, steht der Plan auf der Kippe.