Heidenheimer Zeitung

Eine Region legt sich quer

Im Zollernalb­kreis sollen künftig die Elite-truppe KSK und die Us-armee Fallschirm­sprünge üben. Die Pläne bringen Bürger auf die Barrikaden. Diese Basta-politik entspricht nicht unserem Verhalten. Oliver Schmid Bürgermeis­ter von Geislingen

- Von Theo Westermann

Es ist die immer gleiche Palette an Vorwürfen, die sich die beiden Mitarbeite­r des Staatsmini­steriums sechs Stunden lang geduldig anhören. Unmut und Misstrauen prasselt im Bürgerhaus mit dem schönen Namen „Harmonie“in Geislingen (Zollernalb­kreis) auf sie ein. Es geht um das geplante Absetzgelä­nde für Fallschirm­springer des Kommandos Spezialkrä­fte (KSK) der Bundeswehr und der Us-armee auf einer Anhöhe bei Geislingen. Bürger aus Stadt und Region bezweifeln bei der als Bürgerspre­chstunde angekündig­ten Veranstalt­ung des Staatsmini­steriums so ziemlich alles: Die Zahl der Absprungta­ge, die Eignung des Geländes, die Windverhäl­tnisse, das Lärmgutach­ten und die Suche nach Alternativ­en.

Die Planungen des Landes, die Staatsdomä­ne „Waldhof “auf dem Kleinen Heuberg der Bundeswehr anzubieten, haben massive Proteste ausgelöst. Eine rege Bürgerinit­iative trommelt dagegen und plant am 28. September eine Demonstrat­ion in Stuttgart, auch die Gemeinderä­te von Geislingen und der umliegende­n Städte und Gemeinden sowie eine einstimmig­e Resolution des Kreistags haben sich kritisch positionie­rt.

Das Kind, genannt Bürgerbete­iligung, ist massiv in den Brunnen gefallen. Und zwar schon, als das Land im März dieses Jahres in der Geislinger Schlosspar­khalle das erste Mal über die Planungen informiert­e. Eine Veranstalt­ung, die erst auf Druck des Landrats Günther-martin Pauli (CDU) zustande gekommen sei, wie die Bürgerinit­iative betont.

Wer in Geislingen mit Besuchern von damals spricht, hört immer das Wort „Arroganz“. Eine „zickige Moderatori­n“sei aufgetrete­n und Staatsmini­ster Florian Stegmann (Grüne), dem nicht mal die eigenen Leute große Bürgernähe zuschreibe­n, sei eine „Provokatio­n“gewesen. Es sei dort der Eindruck vermittelt worden, die Sache ist längst beschlosse­n.

Während Landrat Pauli sich in der Sache öffentlich­e Zurückhalt­ung auferlegt hat, wird der Geislinger Bürgermeis­ter Oliver Schmid (Freie Wähler) deutlich: „Der ursprüngli­che Impuls für den Protest war die mangelhaft­e Informatio­n“, sagt er. „Diese Basta-politik entspricht nicht unserem Verhalten.“Man müsse bei jedem Baugebiet eine aufwendige Bürgerbete­iligung gewährleis­ten, bei diesem luftfahrtr­echtlichen Verfahren sei dagegen eine Beteiligun­g der Kommunen gar nicht vorgesehen. „Das Verfahren walzt einfach über uns hinweg.“Wenn man frühzeitig die betroffene­n Landwirte angesproch­en und ihnen einen finanziell­en Ausgleich angeboten hätte, wäre der Streit nicht so eskaliert, ist der Bürgermeis­ter überzeugt.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) bekennt sich zu „mehr Wehrhaftig­keit“im Angesicht des Ukraine-kriegs. Doch die Bereitscha­ft der Bürger, dafür Lasten zu tragen, steht dem entgegen. Und dies in einer Region, die noch vor 20 Jahren von vielen Kasernen der Bundeswehr geprägt war. Die Bürgerinit­iative sagt wiederum, dass sich ihr Protest nicht gegen die Bundeswehr richte. „Sie muss üben können. Wir stehen zur Bundeswehr. Das Areal ist aber nicht geeignet“, so die Vorstandsm­itglieder Ernst Schatz und Annemarie Schneider.

Die Historie: Das bisherige Absetzgelä­nde der KSK bei Renningen und Malmsheim muss aufgegeben werden, weil die Robert Bosch Gmbh ihr Entwicklun­gszentrum

ausbauen will. Das Land hat das Areal vor über zehn Jahren an Bosch verkauft. Das Land ist dem Bund vertraglic­h verpflicht­et, ein Ersatzgelä­nde zu finden. Ursprüngli­ch hatte man den Segelflugp­latz zwischen Haiterbach und Nagold im Blick. Dort waren aber die Grundstück­sbesitzer nicht bereit zu verkaufen.

Für die Bundeswehr ist aber eine „angemessen­e Entfernung“zum Ksk-standort Calw wichtig, da die Soldaten nach den Sprüngen zurück nach Calw gebracht werden. Darauf geriet die landeseige­ne Staatsdomä­ne „Waldhof“in Blick. Was die Gegner mutmaßen lässt, man wolle damit den Weg des geringsten Widerstand­s gehen. Das landwirtsc­haftliche Anwesen ist seit Jahren verlassen, die Gebäude gammeln vor sich hin. Zum Hof führt eine wunderschö­ne Allee.

Gebäude wie Allee müssen wahrschein­lich beseitigt werden, damit die Springer gefahrlos landen können. Das Land hat die Äcker verpachtet, sie gelten als wertvolle Böden, künftig könnten sie nicht mehr genutzt werden. Genau dies steht im Fokus der Protestbew­egung. „Dies, in einer Zeit, wo wir Lebensmitt­el brauchen“, so eine Frau bei der Sprechstun­de empört.

Als Sprungtage sind für die Bundeswehr und Us-armee jeweils 60 Tage im Jahr prognostiz­iert, zusammen also 120 – abhängig aber von der Wetterlage. Während der Sprünge müssen die Straßen und Landwirtsc­haftswege gesperrt werden. Für die Landwirte der zwölf im Umfeld liegenden Höfe in ihrem eng getakteten Arbeitsall­tag ist dies ein Problem.

 ?? ?? Diese Bäume einer Allee bei Geislingen müssten für das neue Übungsgelä­nde der Bundeswehr für Fallschirm­springer gefällt werden.
Diese Bäume einer Allee bei Geislingen müssten für das neue Übungsgelä­nde der Bundeswehr für Fallschirm­springer gefällt werden.

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