„Gefährlicher Mensch“
Der Münsteraner Politikwissenschaftler und Kommunikationscoach Hermann Hagemann hat sich mit der Psychologie von Kremlchef Wladimir Putin befasst. Er hält dessen jüngste nukleare Drohungen nicht für einen Bluff.
Wladimir Putin hat seine Drohung mit Atomwaffen mit den Worten unterstrichen: „Das ist kein Bluff.“Wie ernst sollten wir diese Drohung nehmen? Hermann Hagemann:
Diese Drohungen sind sehr ernst zu nehmen. Wladimir Putin ist ein sehr gefährlicher Mensch. Und es gibt für ihn zurzeit keine Exit-strategie. Im Falle einer militärischen Niederlage drohen ihm Haft, ein Prozess oder der Tod. Auch innerhalb Russlands hätte er im Falle seines Machtverlusts mit Verfolgung zu rechnen. Putin hat jetzt davon gesprochen, dass er Russland angegriffen sieht. Er redet sich in eine Situation der nationalen Verteidigung hinein. Wenn er sich oder sein Land in die Ecke gedrängt fühlte, könnte er sozusagen mit einem erweiterten Suizid reagieren, einem Atomkrieg. Das macht ihn so gefährlich.
Wie reagiert ein Despot wie Putin, wenn er sich bedrängt fühlt?
Waffenlieferungen an die Ukraine erschrecken Putin nicht. Er lebt in einer Welt der Waffen, der Gewalt und der Repression. Ehre gilt in Russland als hoher Wert, der auch Gewalt rechtfertigt. Auch die nationale Ehre darf in Russland mit Gewalt verteidigt werden. Und die erstreckt sich in den Augen Putins auch auf die russischsprachigen Menschen auf der Krim oder in der Ostukraine.
Was macht Putin in Ihrer Einschätzung zu einem gefährlichen Menschen?
Drei Dinge kommen da zusammen. Zum einen eine Kränkung, das Gefühl, in seiner Wertigkeit nicht gesehen zu werden. Hinzu kommt ein Element von Antipathie, etwa seine Ablehnung der westlichen Lebensweise und Werte. Das dritte Element einer gefährlichen Person ist schließlich die Zulässigkeit von Gewalt in ihrem Umfeld. Im Geheimdienst KGB, in dem Putin groß geworden ist, war Gewalt ein legitimes Mittel.
Können gefährliche Menschen wie Putin durch ihr Umfeld eingehegt werden?
Für so rational halte ich ihn. Das Problem bei Putin ist aber, dass er sich mit Menschen umgeben hat, die genauso denken wie er und von ihm abhängig sind. Sie sind Teil des Systems. Auf eine Palastrevolution zu hoffen, ist daher Wunschdenken.