Hilfestellung und Kontrolle
Bei ihrer Arbeit erhalten die hauptamtlichen Bewährungshelfer und -helferinnen Unterstützung durch Ehrenamtliche. Für deren Team werden jetzt in Heidenheim interessierte Männer und Frauen gesucht.
Den meisten Menschen dürfte die Vorstellung, vor Gericht erscheinen zu müssen, Unwohlsein bescheren. Andere beschäftigen sich aus freien Stücken mit dieser Welt: die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bewährungshilfe. Für ihr Team wird in Heidenheim Verstärkung gesucht.
Nicht unbedingt ins Gefängnis muss, wer von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Voraussetzung: Sie wird zur Bewährung ausgesetzt. Dafür darf sie nicht mehr als zwei Jahre betragen. Außerdem muss das Gericht eine günstige Sozialprognose stellen, also davon ausgehen, dass sich der Täter die Verurteilung zu Herzen nimmt und keine weiteren Straftaten begeht.
Der Betroffene erhält somit die Möglichkeit, der Haft zu entgehen, indem er sich während eines bestimmten Zeitraums bewährt. Einen Freibrief bedeutet das nicht zwangsläufig, schließlich kann ihm das Gericht Auflagen und Weisungen erteilen und ihn der Bewährungshilfe unterstellen.
Männer unterrepräsentiert
In Heidenheim gibt es fünf hauptamtliche Bewährungshelferinnen, die allesamt in Teilzeit arbeiten. Sie sind derzeit im gesamten Landkreis zuständig für rund 200 Klienten – so werden die Straffälligen genannt, um deren Resozialisierung es geht.
Unterstützung kommt von sechs Ehrenamtlichen, fünf Frauen und einem Mann. Für dieses Team unter Leitung der Bewährungshelferin Gisela Ertle-wiebel, das momentan 19 Fälle betreut, werden weitere Interessierte gesucht. Die 57-Jährige verweist auf ein höchst ungleiches Geschlechterverhältnis, „denn 90 Prozent unserer Klienten sind Männer, nur zehn Prozent Frauen“.
Wer sich bereit und berufen fühlt, daran etwas zu ändern, erfüllt bereits eine Voraussetzung für diese besondere Form des Ehrenamts. Es gibt weitere: Die Interessenten müssen mindestens 21 Jahre alt sein und über ein tadelloses polizeiliches Führungszeugnis verfügen, sie sollten die nötige Zeit mitbringen, mit beiden Beinen im Leben stehen, „und aushalten können, dass sich die Lebensentwürfe anderer Menschen von den eigenen möglicherweise deutlich unterscheiden“, so Ertle-wiebel.
Ehrenamtliche werden geschult
Wo die Toleranz ihre Grenzen hat, wo die Trennlinie zwischen Nähe und Distanz verläuft, ergibt sich zum einen aus der persönlichen Erfahrung, gerade anfangs aber auch aus Schulungen. „Ein Helfersyndrom kann durchaus gut sein, aber wichtig ist, wie weit die Empathie gehen sollte“, sagt Ertle-wiebel. Niemand solle ins kalte Wasser geworfen werden, deshalb gehe es auch nicht ohne ein Coaching.
Am Anfang steht ein Gespräch über die jeweilige Motivation. „Das Interesse muss dem Ehrenamt gelten, nicht einem Minijob“, stellt Ertle-wiebel klar, um einem Missverständnis vorzubeugen. Zwar gibt es eine Aufwandsentschädigung,
diese ist jedoch mit 30 Euro pro Fall und Monat gering. Der damit verbundene Aufwand ist in regelmäßig zu erstellenden Dokumentationen nachzuweisen.
„Ich habe beruflich immer viel Glück gehabt, und will etwas davon zurückgeben“, sagt Lydia Waibel (68), die seit 2018 in der ehrenamtlichen Bewährungshilfe tätig ist. Mit mehr als 100 Auszubildenden hatte die frühere Niederlassungsleiterin eines Autohauses zu tun, und sie fand immer einen guten Draht zu jungen Menschen.
Jetzt steht sie bewusst jenen zur Seite, „die vielleicht einmal in ihrem Leben aus einer Drucksituation
heraus einen Fehler gemacht und oft niemanden an ihrer Seite haben“.
Menschen helfen, die Hilfe brauchen. Diese Einstellung ist auch Christiane Büchelers Ansporn. Die 47-jährige Krankenschwester meldete sich 2018 auf einen Zeitungsartikel hin bei der Bewährungshilfe, „weil es mir schnell langweilig wird, und ich die Aufgabe sehr spannend fand“.
Der Weg zu diesem Engagement führt über eine Einführung, die sich aus sechs jeweils dreistündigen Modulen zusammensetzt. Zu den Inhalten gehören neben den rechtlichen Grundlagen auch Kriminalitätstheorien sowie Fragen der Praxis und der Gesprächsführung. Hinzu kommen verschiedene Problemlagen der Klienten.
Beherrschende Themen sind neben jugendtypischen Verfeh
lungen Suchtprobleme, aber auch finanzielle Schwierigkeiten und psychische Erkrankungen.
Keine gewaltbereiten Klienten
Den Ehrenamtlichen werden höchstens fünf Fälle übertragen. Ausgenommen sind Klienten, die wegen eines Sexualdelikts oder wegen schwerer Gewaltdelikte verurteilt wurden, ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft zeigen oder als potenziell gefährlich eingeschätzt werden.
Sollte einmal ein Fall eskalieren, übernehmen ihn die hauptamtlichen Bewährungshelferinnen. In den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten hat Ertle-wiebel das nur einmal erlebt.
Angesichts der hohen Fallzahlen schätzt die Bewährungshelferin die Unterstützung durch das Ehrenamt, weil dadurch unter anderem zeitintensive Behördengänge
abgedeckt werden. Die Betreuung konzentriert sich maßgeblich auf Ablauf und Struktur des Alltags sowie auf Hilfe in einzelnen Lebensbereichen.
Wertschätzt ein Klient die Unterstützung, die er erfährt, hält er schon einmal aus freien Stücken über das Ende der Bewährungszeit hinaus den Kontakt, wie Waibel berichtet. Nicht immer stimme die Chemie allerdings auf Anhieb, ergänzt Bücheler.
Gerichtliche Konsequenzen
Erscheint ein Klient mehrfach nicht zu den vereinbarten und für ihn verpflichtenden Gesprächen, erhält das Gericht eine Nachricht. Die dann drohenden Konsequenzen reichen bis zum Widerruf der Bewährung. Und das bedeutet: Gefängnis.
Es ist also eine Mischung aus Hilfe und Kontrolle, die die Bewährungshilfe bietet: unterstützen bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und überwachen, ob die Auflagen des Gerichts eingehalten werden.
Weil dabei Vertrauen wichtig ist, hofft Ertle-wiebel darauf, Ehrenamtliche zu finden, „die nicht nur ein Jahr, sondern länger dabeibleiben, damit es in der Betreuung nicht so häufige Wechsel gibt“.
Ein Helfersyndrom kann gut sein, aber wichtig ist, wie weit die Empathie gehen sollte. Gisela Ertle-wiebel Hauptamtliche Bewährungshelferin