Zug um Zug
Eine der wohl größten privaten Modelleisenbahn-anlagen Deutschlands rollt in Nattheim über die Miniatur-gleise. Die Anlage der Privaten Modellbahner Nattheim kann seit 1990 in der Alten Schule bewundert werden. Nachwuchssorgen? Die hat Gründungsmitglied F
Rund 500 Lokomotiven, 200 Weichen und Signale – und das alles auf lediglich 1,3 Kilometer Gleislänge gequetscht? Was auf den ersten Blick verwirrend erscheinen mag, macht auf den zweiten bedeutend mehr Sinn. Der Bahnhof, um den es sich hier dreht, steht nämlich weder in Ulm noch in Stuttgart, er steht vielmehr in Nattheim. Genauer gesagt auf dem Dachboden der Alten Schule mitten im Ort. Dort haben die Privaten Modellbahner Nattheim ihr kleines, großes Miniaturreich aufgebaut. Seine ersten Schritte hat der Freundeskreis im Jahr 1974 in Herbrechtingen gemacht, ab 1990 wurde die Anlage nach der Renovierung der Alten Schule im obersten Stockwerk aufgebaut. Friedrich Giemulla ist eines der Gründungsmitglieder. Auch heute wird er nicht müde, Interessenten in die faszinierende Modellbauwelt zu führen. Dabei gibt es nur wenige offizielle Öffnungstage im Jahr: Die Saison der Modellbahner erstreckt sich lediglich über die Adventszeit bis zum Dreikönigstag. „Unterm Jahr kann man aber jederzeit bei der Gemeinde oder bei mir anrufen und einen Besichtigungstermin vereinbaren“, erzählt Giemulla. Gruppenführungen, Kindergeburtstage – alles ist möglich. Kinder? Interessieren die sich überhaupt noch für Modelleisenbahnen aus den 50er-jahren? Ja, findet Giemulla. „Meine Enkel haben Freude an den Loks. Sie sagen manchmal zu mir: ‚Gell, Opa, wir haben dieselben Hobbies‘.“Laut dem Eisenbahn-fan wachse in den Grundschulen durchaus eine Generation an Kindern heran, die sich für die Modellwelt interessiere. „Als ich früher noch Lehrer in Heidenheim gewesen bin, habe ich immer Modellbahn-ags angeboten. Einer, der dort damals Mitglied war, ist heute bei unserer Gruppe dabei.“
Enkel spielen mit Loks
Dennoch: Der Freundeskreis ist über die Jahre geschrumpft, heute besteht er aus fünf aktiven Mitgliedern. Ende der 90er konnten die Privaten Modellbahner ihre größten Besucherzahlen verzeichnen. 2009 erlangte die Gruppe sogar in Japan Bekanntheit. Eine japanische Fernseh-delegation besuchte die Eisenbahnwelt in der Alten Schule. Ziel war es, die deutsche Stimmungslage rund um die Modellbahn nach Japan zu übermitteln. Denn die war seinerzeit alles andere als fröhlich. Im Zuge der Märklin-insolvenz wurde etwa deren damaliger Pressesprecher Roland Gaugele als erster von 166 Mitarbeitern entlassen. Bei Nattheimer Modellbahnern fand er Zuflucht und wurde sogar zum Ehrenmitglied ernannt – und nutzte seine Verbindungen nach Japan, um die internationale Delegation auf die Ostalb zu bringen. Auf den Gleisen der Alten Schule geht es zwar nicht ganz so international zu, dennoch sind dort unzählige Loks unterwegs, überwiegend Modelle aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die älteste Lok ist Baujahr 1950“, berichtet Friedrich Giemulla. Ebenso verkehren dort die Brenzbahn sowie die Härtsfeld-museumsbahn. Miniatur-ausführungen findet man auch unter den Gebäuden. „Die Landschaft ist grob der der Schwäbischen Alb nachempfunden.“Neben einer Nachbildung des Bahnhofs in Calw steht hier beispielsweise das Postamt aus Munderkingen und sogar die Nattheimer Apotheke hat einen Platz in der Modellbaulandschaft gefunden.
Der genaue Wert der Anlage lässt sich nur grob schätzen, er liegt laut Giemulla aber wohl im sechsstelligen Bereich. „Der Anlagenkörper ist unser gemeinsames Eigentum, die Züge gehören jedoch den Freundeskreis-mitgliedern. Die kann man draufstellen oder auch wieder mit nach Hause nehmen, ganz wie man will“, erläutert Giemulla. Zuhause, genau dort hat Friedrich Giemulla eine eigene Anlage stehen. „Die ist eher mittelprächtig“, gibt er zu. „Aber sie sieht genauso aus, wie ich es mir als Kind vorgestellt habe.“