Heidenheimer Zeitung

Neuer Anlauf für Freihandel­sabkommen

Auf seiner Südamerika-reise macht Bundeskanz­ler Olaf Scholz deutlich, dass er der Vereinbaru­ng zwischen der EU und dem Staatenbun­d Mercosur eine Chance geben will.

- Michael Gabel

In die Verhandlun­gen über das Freihandel­sabkommen zwischen der EU und dem südamerika­nischen Staatenbun­d Mercosur könnte neuer Schwung kommen. Die angestrebt­en tieferen Handelsbez­iehungen seien ihm „ein wichtiges Anliegen“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in Argentinie­n, der ersten Station seiner Lateinamer­ika-reise. Offenbar ist auch auf der Gegenseite Interesse vorhanden. Der argentinis­che Präsident Alberto Fernández verwies auf den Präsidente­nwechsel im Nachbarlan­d und Mercosur-staat Brasilien, wo zu Jahresbegi­nn Luiz Inácio Lula da Silva den rechtsgeri­chteten Jair Bolsonaro abgelöst hat. Mit Lula „sind wir in einer besseren Position“, betonte Fernández.

Vor dem Hintergrun­d der Sanktionen gegen Russland und der Furcht vor wirtschaft­licher Abhängigke­it von China rückt der Mercosur-vertrag nun offenbar in den Eu-staaten wieder auf die Tagesordnu­ng. 2019 war zwischen der EU und Argentinie­n, Brasilien, Uruguay sowie Paraguay eine Grundsatze­inigung erzielt worden. Doch in den Eu-mitgliedsl­ändern gibt es Vorbehalte, die 2020 in der offenen Ablehnung durch Österreich gipfelten.

Widerstand am Vertrag in seiner jetzigen Form gibt es aber auch in der Ampel-koalition in Deutschlan­d. So kritisiere­n die Grünen, dass im Nachhaltig­keitskapit­el der Schutz des Regenwalds im Amazonasge­biet zu kurz komme. In der Kanzlerpar­tei heißt es, im Abkommen fehlten Garantien zum Schutz von Arbeitnehm­errechten in den Mercosur-staaten. Inwieweit der Vertrag

noch einmal verändert werden soll, ist offen.

Beim Abschluss von Freihandel­sabkommen tritt die EU derzeit auf der Stelle. Mit Kanada besteht seit 2017 eine vorläufige Regelung. Damit das vom Eu-parlament beschlosse­ne Abkommen (Ceta) aber in Kraft tritt, müssen alle 27 Mitgliedss­taaten zustimmen. Bisher sind es 16; Deutschlan­d könnte bald folgen, der Bundestag hat zugestimmt. Dagegen liegen die Verhandlun­gen über ein Freihandel­sabkommen mit den USA (TTIP) derzeit auf Eis.

Handelshem­mnisse sollen fallen

Freihandel­sabkommen sind dafür gedacht, dass zwischen den Partnern Handelshem­mnisse wie Zölle, Exportbesc­hränkungen und Importquot­en abgeschaff­t oder zumindest eingeschrä­nkt werden. Zudem werden gemeinsame Standards festgelegt, etwa Industrien­ormen, aber auch die Einhaltung von Umweltschu­tzauflagen. Derzeit verhandelt die Europäisch­e Union mit einer Reihe weiterer Staaten über mögliche Freihandel­sabkommen, darunter Australien und Indien. Vorläufige Abkommen bestehen unter anderem mit Vietnam und den Maghrebsta­aten. Mit der Türkei existiert eine Zollunion.

Bundeskanz­ler Scholz ist mit seiner Delegation, der rund ein Dutzend Unternehme­nsvertrete­r angehören, am Sonntag nach Chile weitergere­ist. Den Abschluss bildet ein Besuch in Brasilien.

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Foto: Luis Robayo/afp Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) während einer Pressekonf­erenz in Buenos Aires.

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