Neuer Anlauf für Freihandelsabkommen
Auf seiner Südamerika-reise macht Bundeskanzler Olaf Scholz deutlich, dass er der Vereinbarung zwischen der EU und dem Staatenbund Mercosur eine Chance geben will.
In die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur könnte neuer Schwung kommen. Die angestrebten tieferen Handelsbeziehungen seien ihm „ein wichtiges Anliegen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Argentinien, der ersten Station seiner Lateinamerika-reise. Offenbar ist auch auf der Gegenseite Interesse vorhanden. Der argentinische Präsident Alberto Fernández verwies auf den Präsidentenwechsel im Nachbarland und Mercosur-staat Brasilien, wo zu Jahresbeginn Luiz Inácio Lula da Silva den rechtsgerichteten Jair Bolsonaro abgelöst hat. Mit Lula „sind wir in einer besseren Position“, betonte Fernández.
Vor dem Hintergrund der Sanktionen gegen Russland und der Furcht vor wirtschaftlicher Abhängigkeit von China rückt der Mercosur-vertrag nun offenbar in den Eu-staaten wieder auf die Tagesordnung. 2019 war zwischen der EU und Argentinien, Brasilien, Uruguay sowie Paraguay eine Grundsatzeinigung erzielt worden. Doch in den Eu-mitgliedsländern gibt es Vorbehalte, die 2020 in der offenen Ablehnung durch Österreich gipfelten.
Widerstand am Vertrag in seiner jetzigen Form gibt es aber auch in der Ampel-koalition in Deutschland. So kritisieren die Grünen, dass im Nachhaltigkeitskapitel der Schutz des Regenwalds im Amazonasgebiet zu kurz komme. In der Kanzlerpartei heißt es, im Abkommen fehlten Garantien zum Schutz von Arbeitnehmerrechten in den Mercosur-staaten. Inwieweit der Vertrag
noch einmal verändert werden soll, ist offen.
Beim Abschluss von Freihandelsabkommen tritt die EU derzeit auf der Stelle. Mit Kanada besteht seit 2017 eine vorläufige Regelung. Damit das vom Eu-parlament beschlossene Abkommen (Ceta) aber in Kraft tritt, müssen alle 27 Mitgliedsstaaten zustimmen. Bisher sind es 16; Deutschland könnte bald folgen, der Bundestag hat zugestimmt. Dagegen liegen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) derzeit auf Eis.
Handelshemmnisse sollen fallen
Freihandelsabkommen sind dafür gedacht, dass zwischen den Partnern Handelshemmnisse wie Zölle, Exportbeschränkungen und Importquoten abgeschafft oder zumindest eingeschränkt werden. Zudem werden gemeinsame Standards festgelegt, etwa Industrienormen, aber auch die Einhaltung von Umweltschutzauflagen. Derzeit verhandelt die Europäische Union mit einer Reihe weiterer Staaten über mögliche Freihandelsabkommen, darunter Australien und Indien. Vorläufige Abkommen bestehen unter anderem mit Vietnam und den Maghrebstaaten. Mit der Türkei existiert eine Zollunion.
Bundeskanzler Scholz ist mit seiner Delegation, der rund ein Dutzend Unternehmensvertreter angehören, am Sonntag nach Chile weitergereist. Den Abschluss bildet ein Besuch in Brasilien.