„In Steueroasen angesiedelt“
Christoph Scheuplein von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen beschäftigt sich seit Jahren mit den Aktivitäten von Finanzinvestoren in Deutschland. Er stellt kritische Entwicklungen fest und spricht sich etwa dafür aus, nur noch fachübergreifende Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zuzulassen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat den „Heuschrecken“den Kampf angesagt. Sind Finanzinvestoren wirklich ein großes Problem? Oder sind sie nicht sogar nötig? Christoph Scheuplein:
Aktuell werden mindestens 50 Arzt-ketten von Finanzinvestoren in Deutschland aufgebaut. Viele davon wachsen schnell, und mindestens sieben Ketten haben bereits mehr als 1000 Beschäftigte. Wir erleben einen Umbau zu Arzt-konzernen in der ambulanten Versorgung, der dauerhaft bleiben wird. Dabei ist für die Finanzinvestoren vor allem der Verkauf nach einigen Jahren wichtig. Welche dauerhaften Eigentümer die Arzt-ketten dann erhalten, kann man in den USA sehen, wo etwa Amazon eine Apotheken-sparte aufgebaut und im letzten Jahr eine Arzt-kette von einem Finanzinvestor erworben hat.
Der Minister hält zweistellige Renditen für „nicht vertretbar“. Ist das nachvollziehbar?
Private-equity-fonds vergleichen ihre Renditen mit „alternativen Investments“wie Immobilienfonds. Daher müssen auch die medizinischen Einrichtungen entsprechende Renditen erwirtschaften. Dies wird langfristig nur mit einer stärkeren Kommerzialisierung funktionieren. Ein deutliches Zeichen ist, dass die Private-equity-fonds, die in Deutschland Arzt-ketten betreiben, zu mehr als zwei Dritteln in Steueroasen angesiedelt sind. Das ist für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten eine Zumutung.
Die Bundesärztekammer fordert, nur fachübergreifende Versorgungszentren zuzulassen. Eine gute Idee?
Ja, definitiv. Medizinische Versorgungszentren wurden 2004 eingeführt, um den Patienten eine Untersuchung durch unterschiedliche Fachärzte „aus einer Hand“anbieten zu können. Als ab 2015 dieser fachübergreifende Ansatz entfiel, wurde dies gerade von den Finanzinvestoren genutzt: Die von ihnen geführten MVZ etwa in Bayern sind deutlich stärker auf nur eine fachärztliche Disziplin spezialisiert als die MVZ anderer Eigentümern, zum Beispiel Kommunen. Sinnvoll sind auch weitere Einschränkungen, sodass ein MVZ fachlich und räumlich mit dem Krankenhaus zusammenhängen muss, das dieses MVZ betreibt.