„Volkskrieg“gegen das Regime
Am 1. Februar 2021 putschte das Militär in dem ostasiatischen Land. Zwei Jahre später versinkt der Staat immer tiefer in Chaos und Konflikten. Tausende Demokratie-aktivisten sitzen im Gefängnis.
Gegen Aung San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 und Tochter des Nationalhelden Aung San, erging Ende Dezember das jüngste Gerichtsurteil: Sieben Jahre Haft in einem angeblichen Korruptionsfall. Damit summiert sich die Gesamtstrafe gegen die frühere De-facto-regierungschefin aus bisher 14 abgeschlossenen Prozessen auf 33 Jahre. Zum Gesundheitszustand von Myanmars Freiheitsikone dringt nur sporadisch etwas nach außen. Er hat sich aber, seit sie im Juni 2022 wenige Tage nach ihrem 77. Geburtstag vom Hausarrest in Einzelhaft verlegt wurde, eher weiter verschlechtert.
Währenddessen laufen die Anklagen gegen Ex-präsident Win Myint. Zahlreiche andere führende Politiker der beim Putsch am 1. Februar 2021 entmachteten demokratischen Vorgängerregierung wurden schon zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und weggesperrt. Die Gefangenenhilfsorganisation AAPP weist derzeit 13 689 politische Häftlinge aus, die seit der erneuten Machtübernahme des Militärs vor zwei Jahren in den berüchtigten Gefängnissen des südostasiatischen Staates einsitzen. Die meisten sind inzwischen rechtskräftig verurteilt.
Im Juli 2022 wurden trotz eines internationalen Aufschreis vier Todesurteile gegen Demokratie-aktivisten vollstreckt. Menschenrechtsgruppen sind in akuter Sorge, dass demnächst zehn weitere Hinrichtungen folgen könnten. Zudem weist die Aapp-statistik mindestens 2894 zivile Opfer aus, die von der Junta getötet wurden. Nicht eingerechnet sind dabei all jene, die in Gefechten ihren Tod fanden. Dabei nehmen gerade solche gewaltsamen Auseinandersetzungen landesweit in erschreckendem Ausmaß zu.
Bald nach dem Putsch hatten untergetauchte oder ins Exil geflüchtete Abgeordnete des im November 2020 neugewählten Parlaments die Regierung der Nationalen Einheit (NUG) als alternative Staatsmacht im Untergrund gegründet. Im September 2021
rief diese den „Volkskrieg“gegen das Regime von General Min Aung Hlaing aus. Ihre Verteidigungskräfte (PDF), anfangs eher ein Sammelsurium schlecht bewaffneter Bürgermilizen denn eine richtige Armee, konnten seither einige beachtliche Erfolge verbuchen.
Vormalige Krankenschwestern, Uni-dozenten, Studenten oder Hausfrauen kämpfen in den Reihen der PDF. Etliche Rebellengruppen der 135 ethnischen Minderheiten bieten den Pdf-einheiten militärisches Grundtraining. So konnte zum Beispiel die zentrale Region Sagaing inzwischen fast völlig von demokratischen Kräften eingenommen werden. Die Junta soll nach Schätzungen aus Un-kreisen höchstens noch ein Viertel des Staatsgebiets voll kontrollieren.
Es war Suu Kyis Vater, General Aung San, der federführend Myanmars Unabhängigkeit von den Briten erkämpfte, kurz zuvor aber 1947 einem Attentat zum Opfer fiel. Zum 75. Jahrestag der Staatsgründung am 4. Januar dieses Jahres hatte Min Aung Hlaing eine Militärparade abgenommen
und etliche Auszeichnungen verliehen – darunter an den für seine Hasspredigten berüchtigten Mönch Ashin Wirathu und posthum an den ersten Militärdiktator Ne Win.
Es waren Akte eines Herrschers, dessen eigene Soldaten ihm oft nur aus Sorge um die eigenen
Familien die Treue halten. Noch hat die Junta aber zumindest am Himmel die klare Überlegenheit: Gerade für die Luftwaffe gibt es immer wieder Waffenkäufe im Ausland. Bombardements von Rebellenstellungen haben weitere Hunderttausende zu Binnenflüchtlingen gemacht. „Oppositionelle“Dörfer werden niedergebrannt, im September gab es gar einen Luftangriff auf eine Schule – sechs Kinder starben.
Der Versuch der Junta, mehrere Rebellengruppen, die sich auf neue Friedensgespräche einließen, zum Schulterschluss gegen die PDF zu bewegen, schlug aber fehl. Derweil leiden nicht nur Schulen, Unis und Gesundheitssystem unter akutem Personalmangel, weil Beschäftigte untergetaucht sind oder in Haft sitzen.