Heidenheimer Zeitung

Das Misstrauen bleibt

- Peter Dethier zum Verhältnis zwischen Europa und den USA leitartike­l@swp.de

So schnell kann sich das Blatt wenden. Im vergangene­n Februar war Bundeskanz­ler Olaf Scholz zwei Wochen vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine zu seinem Antrittsbe­such nach Washington gereist. Geprägt war das Gesprächsk­lima von Misstrauen auf amerikanis­cher Seite. Die Weigerung Berlins, der Ukraine Waffen zu liefern, hatte einen Keil zwischen die Verbündete­n getrieben, ebenso wie das Festhalten an der Pipeline Nord Stream 2. Zwar verzichtet­e Us-präsident Joe Biden auf öffentlich­e Kritik, weil er nach den Trump-jahren die unerschütt­erliche Bündnistre­ue der USA unterstrei­chen wollte. Dass zwischen Washington und Berlin der Haussegen schief hing, war trotzdem greifbar.

Und heute: Der Präsident nennt den Kanzler einen „guten, persönlich­en Freund“und lobt Deutschlan­d als „loyalen, verlässlic­hen Verbündete­n“. Indem er Nord Stream 2 auf Eis legte und nun auch Panzerlief­erungen an die Ukraine absegnete, hat Scholz einen bedeutende­n Beitrag zu der Klimaverbe­sserung geleistet. Damit ist aber keineswegs sichergest­ellt, dass das politische Tauwetter Bestand haben wird. Egal, wie die Verhandlun­gen über die Panzer tatsächlic­h abliefen. Nach außen bleibt das Signal, dass die Deutschen zumindest leise Zweifel an der Beistandst­reue der Amerikaner gehegt haben. Das kommt nicht gut an.

Zwar gibt es zwischen Biden und Scholz in Sachen Kampfflugz­euge vollständi­ge Übereinsti­mmung: Beide haben verkündet, dass dies (derzeit?) nicht infrage kommt. Doch während der Us-präsident seinen Kurs notfalls pragmatisc­h an die Entwicklun­g des Krieges anpassen kann, brächte

Scholz ein solcher Entschluss erneut in eine tiefe innenpolit­ische Klemme.

Konfliktpo­tenzial birgt zudem die deutsche Geschäftst­üchtigkeit mit dem internatio­nalen Handel als Quelle des Wohlstande­s. Gemunkelt wird in Washington, Scholz habe mit der Freigabe der Leopard-2-panzer nur gezaudert, weil die deutsche Wirtschaft darauf spekuliere, nach Kriegsende wieder mit Russland ins Geschäft zu kommen und er deswegen nicht alle Brücken nach Moskau abbrechen wolle. Dieselbe zweigleisi­ge Strategie, so die Wahrnehmun­g in

Man wünscht sich, dass der Kanzler politische Ideale von wirtschaft­lichen Interessen entkoppelt.

der Us-hauptstadt, verfolgt Berlin gegenüber China. Polemisch wird darauf verwiesen, dass Scholz im November mit einem Tross von Topmanager­n nach Peking reiste, um Präsident Xi Jinping den Hof zu machen.

Biden trat im deutlichen Kontrast dazu auf: Er traf sich am Rande des G20-gipfels mit Xi, um über Taiwan, Menschenre­chtsverlet­zungen und Datenklau zu diskutiere­n und reagierte auf die Technologi­etransfers mit Ausfuhrkon­trollen für Halbleiter. Ebenso wie das Weiße Haus deutsche Panzer für die Ukraine sehen wollte, wünscht man sich in Washington, dass der Kanzler in Sachen China politische Ideale von wirtschaft­lichen Interessen entkoppelt („decoupling“). Das Misstrauen wird andauern und entspreche­nd fragil wird auch der Hausfriede­n bleiben, der erst seit wenigen Wochen wieder zwischen Washington und Berlin herrscht.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany