Das Misstrauen bleibt
So schnell kann sich das Blatt wenden. Im vergangenen Februar war Bundeskanzler Olaf Scholz zwei Wochen vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine zu seinem Antrittsbesuch nach Washington gereist. Geprägt war das Gesprächsklima von Misstrauen auf amerikanischer Seite. Die Weigerung Berlins, der Ukraine Waffen zu liefern, hatte einen Keil zwischen die Verbündeten getrieben, ebenso wie das Festhalten an der Pipeline Nord Stream 2. Zwar verzichtete Us-präsident Joe Biden auf öffentliche Kritik, weil er nach den Trump-jahren die unerschütterliche Bündnistreue der USA unterstreichen wollte. Dass zwischen Washington und Berlin der Haussegen schief hing, war trotzdem greifbar.
Und heute: Der Präsident nennt den Kanzler einen „guten, persönlichen Freund“und lobt Deutschland als „loyalen, verlässlichen Verbündeten“. Indem er Nord Stream 2 auf Eis legte und nun auch Panzerlieferungen an die Ukraine absegnete, hat Scholz einen bedeutenden Beitrag zu der Klimaverbesserung geleistet. Damit ist aber keineswegs sichergestellt, dass das politische Tauwetter Bestand haben wird. Egal, wie die Verhandlungen über die Panzer tatsächlich abliefen. Nach außen bleibt das Signal, dass die Deutschen zumindest leise Zweifel an der Beistandstreue der Amerikaner gehegt haben. Das kommt nicht gut an.
Zwar gibt es zwischen Biden und Scholz in Sachen Kampfflugzeuge vollständige Übereinstimmung: Beide haben verkündet, dass dies (derzeit?) nicht infrage kommt. Doch während der Us-präsident seinen Kurs notfalls pragmatisch an die Entwicklung des Krieges anpassen kann, brächte
Scholz ein solcher Entschluss erneut in eine tiefe innenpolitische Klemme.
Konfliktpotenzial birgt zudem die deutsche Geschäftstüchtigkeit mit dem internationalen Handel als Quelle des Wohlstandes. Gemunkelt wird in Washington, Scholz habe mit der Freigabe der Leopard-2-panzer nur gezaudert, weil die deutsche Wirtschaft darauf spekuliere, nach Kriegsende wieder mit Russland ins Geschäft zu kommen und er deswegen nicht alle Brücken nach Moskau abbrechen wolle. Dieselbe zweigleisige Strategie, so die Wahrnehmung in
Man wünscht sich, dass der Kanzler politische Ideale von wirtschaftlichen Interessen entkoppelt.
der Us-hauptstadt, verfolgt Berlin gegenüber China. Polemisch wird darauf verwiesen, dass Scholz im November mit einem Tross von Topmanagern nach Peking reiste, um Präsident Xi Jinping den Hof zu machen.
Biden trat im deutlichen Kontrast dazu auf: Er traf sich am Rande des G20-gipfels mit Xi, um über Taiwan, Menschenrechtsverletzungen und Datenklau zu diskutieren und reagierte auf die Technologietransfers mit Ausfuhrkontrollen für Halbleiter. Ebenso wie das Weiße Haus deutsche Panzer für die Ukraine sehen wollte, wünscht man sich in Washington, dass der Kanzler in Sachen China politische Ideale von wirtschaftlichen Interessen entkoppelt („decoupling“). Das Misstrauen wird andauern und entsprechend fragil wird auch der Hausfrieden bleiben, der erst seit wenigen Wochen wieder zwischen Washington und Berlin herrscht.