Wie füllt sich die Rentenkasse?
Die aktuellen Beiträge der Arbeitenden reichen nicht, um das Rentensystem zu finanzieren. Umso mehr sind Ideen gefragt, wie die Einnahmen gesteigert werden können.
Alle sind betroffen, viele haben Angst, manche reden mit, kaum jemand weiß Bescheid“– mit diesen Worten beschreibt Stefan Schulz die Herausforderungen der Rentenpolitik in seinem Buch „Die Altenrepublik“zum demografischen Wandel und seinen Folgen. Vereinfacht gesagt: Trotz Rekordbeschäftigung hat Deutschland nicht genug Erwerbstätige, um die gesetzliche Altersvorsorge der wachsenden Zahl an Rentnerinnen und Rentnern nachhaltig zu finanzieren. Schon jetzt muss das umlagefinanzierte System der Deutschen Rentenversicherung (DRV) durch rund ein Viertel des Bundeshaushaltes bezuschusst werden. Ohne Veränderungen muss dieser Anteil steigen.
Teresa Backhaus bringt es auf den Punkt: „Wenn die Einnahmen perspektivisch geringer sind als die Ausgaben, haben wir ein Problem“, so die Wissenschaftlerin der Uni Bonn. Die Optionen: die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben senken. Die kontinuierliche Erhöhung des Eintrittsalters, orientiert an der Lebenserwartung, sei eine Möglichkeit, so Backhaus, die auch am Institut zur Zukunft der Arbeit forscht.
In den Entstehungsjahren der gesetzlichen Rentenversicherung Ende des 19. Jahrhunderts lag das Renteneintrittsalter bei 70 Jahren, die durchschnittliche Lebenserwartung aber bei gerade 40. Mittlerweile leben die Deutschen im Schnitt nach Renteneintritt noch 20 Jahre. Und der Renteneintritt der geburtenstarken Babyboomer-jahrgänge steht bevor.
Zwar sehe die Lage in der Rentenversicherung besser aus, als sie lange prognostiziert wurde,
Wir müssen jetzt den Mythos der nicht bezahlbaren gesetzlichen Rente hinter uns lassen. Matthias W. Birkwald (Linke) Bundestagsabgeordneter
doch liege dies an einem einfachen Grund, ist sich Camille Logeay, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der HTW Berlin, sicher – weil die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht eingebrochen sei. Hier liege die Antwort, unter welcher Voraussetzung die Rente sicher sei: eine gute Lage auf dem Arbeitsmarkt. Und: „Wenn es gelingt, die Sozialversicherungsbeiträge weiter quantitativ und qualitativ zu erhöhen, werden die schweren Jahre überbrückbar werden“. Ohne Reform wird es also nicht gehen.
Die Bundesregierung bereitet sich darauf vor. Ein erster Schritt ist der Aufbau eines ergänzenden Kapitalstocks – doch solle das bewährte Finanzierungssystem der gesetzlichen Rente nicht geändert werden, betont Martin Rosemann, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der Spdbundestagsfraktion. Entscheidend bei der Aktienrücklage sei, wie angelegt und das Risiko verteilt werde. Noch liege der Gesetzesentwurf zur ergänzenden Kapitaldeckung aber nicht vor, sagt er. Für eine langfristige Finanzierung sei vor allem gute Arbeitsmarktpolitik entscheidend sowie eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge.
Aus der Opposition fordert der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald: „Wir müssen jetzt den Mythos der nicht bezahlbaren gesetzlichen Rente hinter uns lassen und sichere Renten mit einem Dreiklang aus moderat steigenden Beitragssätzen, stabiler Steuerfinanzierung und einer Politik der guten Löhne und der guten Arbeit finanzieren.“Er will, dass auch Bundestagsabgeordnete in die DRV einzahlen und langfristig auch künftige Beamte.
Den Personenkreis der Einzahler in die DRV zu erweitern, unterstützen nicht alle Experten. Ein gemeinsamer Rententopf für Beamte und Angestellte bringe langfristig nichts, sondern belaste „eher die Rentenversicherung, gerade wenn Beamte die gleichen Bezüge bekämen. Denn sie haben im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als Angestellte“, so Peter Haan vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Wenn Selbstständige einzahlten, könnte dies aus individueller Sicht Vorteile bringen, das Risiko der Altersarmut, besonders bei Soloselbstständigen, senken. „Doch im Prinzip verschieben wir die Belastung des Systems dadurch nur“, wenn in 40 Jahren dann diese Personen ebenfalls ihre Altersvorsorge ausgezahlt bekommen möchten.
Die Forschung ist sich relativ einig, eine Kombination aus höherem Eintrittsalter sowie höheren Beiträgen biete eine nachhaltige Option. Für Haan setzt das eines voraus: flankierende sozialpolitische Maßnahmen. Sonst „wird es zu einer Absenkung der Rente bei denjenigen führen, die nicht länger arbeiten können“, erklärt der Leiter der Abteilung Staat des DIW. Zudem brauche es eine Ausweitung der Anspruchsberechtigten für Erwerbsminderungsrente und Grundrente. Die Beiträge sehe er „eher bei 20 Prozent, und zwar zeitnah, sodass die Babyboomer, die erst in zehn Jahren in Rente gehen, auch noch einzahlen“, Haan, der auch Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der FU Berlin ist. Das wäre eine gute Vorbereitung auf die richtig harten Jahre ab Ende der 2020er.