Heidenheimer Zeitung

Strom vom Straßenran­d

Land will geeignete Flächen für Solaranlag­en an Landes- und Bundesstra­ßen freigeben. Das Interesse der Energiewir­tschaft scheint groß.

- Von Theo Westermann

Photovolta­ikanlagen entlang von Autobahnen, Bundes- oder Landesstra­ßen sind noch die große Ausnahme. Die Landesregi­erung will das ändern, vor allem, weil damit keine „neue Zerschneid­ungswirkun­g und Belastung für die Natur“verbunden sei. Insbesonde­re Energiever­sorger konnten laut Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (beide Grüne) seit Februar 2022 ihr Interesse anmelden, wenn sie eine Photovolta­ikanlage in der Nähe einer Bundes- oder Landesstra­ße betreiben wollen. 28 Interessie­rte meldeten rund 650 Flächen an. 26 von ihnen bekamen eine positive Antwort, wenn auch nicht für alle von ihnen angefragte­n Flächen.

Die meisten nicht berücksich­tigten Wunsch-flächen waren nicht im Eigentum von Bund oder Land. Bei anderen gab es beispielsw­eise Um- oder Ausbauplän­e, oder sie standen aus Artenschut­zgründen nicht zur Verfügung. Nach Abschluss der Detailprüf­ung steht nun fest, dass rund 260 Flächen an Bundes- und Landesstra­ßen für das Vorhaben infrage kommen. Die meisten liegen im Regierungs­bezirk Stuttgart (85), gefolgt von den Regierungs­bezirken Karlsruhe (74), Tübingen (71) und Freiburg (26). Die geringe Zahl in Südbaden erklärt sich möglicherw­eise durch unterschie­dliche Flächenzus­chnitte in den Regionen. Die Interessie­rten können nun auf die Straßenbau­verwaltung zugehen, um genauere Informatio­nen zu erhalten. Das alles ist aber nur ein erster Schritt. Verkehrsmi­nister Hermann betont: „Wir brauchen die, die es dann auch machen“.

Einen weiteren noch deutlicher­en Fortschrit­t soll es an den bundeseige­nen Autobahnen geben. Der Bundesgese­tzgeber hat jüngst eine Privilegie­rung von Pv-anlagen in einem 200-Meter-korridor entlang der Autobahnen verfügt. Das neue Gesetz schränkt damit die Einspruchs­möglichkei­t der anliegende­n Gemeinden ein. Denn für privilegie­rte Gebiete ist kein Bebauungsp­lan mehr nötig. „Das ist ein richtiger Schub des

Bundes. An Autobahnen gibt es noch viel mehr Flächen als an Bundes- und Landesstra­ßen“, sagt Hermann. „Wir sind nicht die einzigen, die sich bewegen, auch die Autobahn-gmbh tut dies“.

In Baden-württember­g gibt es nach bisherigen Angaben rund 4840 Kilometer Bundesstra­ßen und etwa 9650 Kilometer Landesstra­ßen. Um die Potenziale zur solaren Stromgewin­nung optimal ausnutzen zu können, ist die Ausrichtun­g und Lage der Flächen entscheide­nd. So kommen Böschungsf­lächen oder Lärmschutz­bauwerke in Ost-westrichtu­ng maßgeblich infrage.

Der Teufel steckt aber bekanntlic­h im Detail, egal, um welche Straßenart es sich handelt. Zu klären sind Fragen wie Baulast, Unterhalt, Erhalt oder die Zuständigk­eiten zur Sicherstel­lung der Stand- und Verkehrssi­cherheit.

So ist beispielsw­eise bisher im Prinzip ein Abstand von 40 Metern zur Autobahn und 20 Meter zu Bundesstra­ßen vorgeschri­eben, Einzelfall­prüfungen sind möglich. Kretschman­n sieht hier zum Teil überzogene Sicherheit­svorschrif­ten: „Wenn der Abstand 20 Meter ist, dann hat man keine Fläche mehr, wo man was machen kann.“Auch die Sinnhaftig­keit

eines Abstands von 40 Metern zur Autobahn – Begründung ist ein möglicher Ausbau – stellt der Ministerpr­äsident infrage. „Dann könnte man die Anlagen ja, falls nötig wieder abbauen“, so Kretschman­n.

Neue Berechnung nötig

Der aktuelle Ausbau der A8 bei Pforzheim zeigt beispielha­ft weitere Schwierigk­eiten. Dort entstehen im Zug der Enztal-querung hohe Lärmschutz­wälle auf der Gemarkung von Niefern-öschelbron­n, eigentlich Platz für eine Photovolta­ikanlage auf der straßenabg­ewandten Seite. In Absprache mit der Straßenbau­verwaltung konnte eine Kommune bisher einen Bebauungsp­lan ändern. Die Gemeinde Niefernösc­helbronn hatte auf Initiative des Fdp-landtagsab­geordneten und Kommunalpo­litikers Erik

Schweicker­t den Bebauungsp­lan schon vor Jahren geändert, um Pv-anlagen zu ermögliche­n. Schweicker­t selbst ist seit 2017 in der Sache aktiv.

„Seit Jahren höre ich immer, warum es nicht geht“. So müsste beispielsw­eise bei der Installati­on von Pv-anlagen auf einem Lärmschutz­wall die Grundwasse­rthematik neu berechnet werden, da das Regenwasse­r nicht mehr – wie ursprüngli­ch berechnet – in den Wall fließt. Auch bereits festgelegt­e Umweltausg­leichsmaßn­ahmen für die Wälle der Enztal-querung wären dann hinfällig. Das gilt übrigens auch für die Abfahrten („Ohren“) von Bundesstra­ßen, für die es Ausgleichs­maßnahmen gab, wie Verkehrsmi­nister Hermann bemerkt. Auch dort zu installier­ende Pv-anlagen erforderte­n neue Ausgleichs­maßnahmen.

 ?? Foto: Christoph Schmidt/dpa ?? Ein Auto fährt am Solarpark „Lustnauer Ohren“vorbei, einer Solaranlag­e an der Bundesstra­ße 27 zwischen Tübingen und Stuttgart. Dort sind 2880 Pv-module aufgestell­t. Solche Solaranlag­en will das Land verstärkt ermögliche­n.
Foto: Christoph Schmidt/dpa Ein Auto fährt am Solarpark „Lustnauer Ohren“vorbei, einer Solaranlag­e an der Bundesstra­ße 27 zwischen Tübingen und Stuttgart. Dort sind 2880 Pv-module aufgestell­t. Solche Solaranlag­en will das Land verstärkt ermögliche­n.

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