Dauerstau statt grüne Wende
Mehr Elektro, mehr Schiene, mehr Rad: Frankreich schlägt neue Wege in der Verkehrspolitik ein. In Paris führen die Ansätze noch ins Chaos.
Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe und der Mode, sondern auch die der Rekordstaus. Von 8 bis 20 Uhr quält sich der Autoverkehr werktags Stoßstange an Stoßstange selbst über die zwar breiten, aber mittlerweile beinahe überall auf eine einzige „normale“Fahrspur beschränkten Boulevards. Nicht einmal an das im Herbst 2021 in der Hauptstadt eingeführte Tempo 30 ist in dem Gezuckel zu denken.
Niemand in Frankreich hat in den vergangenen Jahren so entschlossen auf die grüne Verkehrswende gesetzt wie die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Ihre Verwaltung führte nicht nur Tempo 30 ein, sondern baute auch beinahe die Hälfte der überirdischen Parkplätze ab und erhöhte die Parkgebühren in der Stadt auf im Schnitt 5 Euro pro Stunde. Fahrradwege wurden ausgebaut, Verkehrsknotenpunkte beruhigt und teilweise durch Grünanlagen ersetzt.
Diese Schritte sowie die Schließung zweier Hauptverkehrsadern am Seineufer reduzierten die Zahl der täglich in Paris zirkulierenden Autos um ein Viertel. Dass immer noch viel zu viele Autos in der Metropole unterwegs sind, liegt nicht in erster Linie an den Einwohnern von Paris. Mehr als die Hälfte von ihnen besitzt gar kein eigenes Auto mehr, sondern nutzt Metro, Busse oder elektrische Miet-roller zur Fortbewegung in der Stadt. Es sind mindestens zwei Millionen Pendler aus dem Großraum der Hauptstadt, die morgens und abends auf dem Weg zur oder von der Arbeit die Straßen verstopfen. Ein gut ausgebautes S-bahnnetz könnte die Lage entschärfen, es steht aber nicht zur Verfügung.
Hidalgo plant dennoch, Autos bis 2030 völlig aus der Stadt zu verbannen. „Das ist nicht nur aberwitzig, sondern in höchstem Maße unsozial“, schimpft Valérie Pécresse, die konservative Präsidentin der Pariser Region Ile-defrance, die deswegen im Dauerstreit mit der sozialistischen Ratshauschefin liegt. Pécresse spricht für viele Beschäftigte, die sich die horrenden Miet- und Immobilienpreise in der Hauptstadt nicht leisten können und auf das Auto angewiesen sind, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen.
Zwar wird derzeit wird das S-bahnnetz im Großraum Paris auf das doppelte Volumen erweitert. Allerdings werden die neuen Linien frühestens ab 2028 nach und nach in Dienst gestellt. Erst dann wird es für viele Pendler für den Weg zur Arbeit tatsächlich eine Alternative zum Privatwagen geben. Vor diesem Hintergrund dürfte sich auch die Luftqualität in der Stadt vorerst nicht verbessern. In dieser Rubrik liegt Paris laut der internationalen Plattform IQAIR, die zusammen mit den Vereinten Nationen und Greenpeace 101 Metropolen weltweit vergleicht, auf dem 64. Platz.
Unter dem Strich ist die Seinemetropole zum abschreckenden Beispiel für die grüne Verkehrswende in Frankreich geworden, der sich auch alle übrigen Großstädte im Lande sowie zahllose kleinere Gemeinden verschrieben haben. Mehr Schiene, mehr Rad, mehr von der Regierung geförderte Elektromobilität – diese Grundsätze gelten in ganz Frankreich. Im Großraum Paris haben sie für Zustände gesorgt, die weit über die Stadtgrenzen hinaus für Kopfschütteln sorgen.
Die Pläne sind nicht nur aberwitzig, sondern in höchstem Maße unsozial. Valérie Pécresse Präsidentin der Region Ile-de-france