Heidenheimer Zeitung

Aufrütteln­der Belcanto der Moderne

Der Engländer Sir George Benjamin erhält den mit 250 000 Euro dotierten Siemens Musikpreis.

- Jük

München. Das ist ungefähr der Nobelpreis für Musik: der mit 250 000 Euro dotierte Ernst von Siemens Musikpreis. Zu den Ausgezeich­neten gehörten schon Komponiste­n wie Wolfgang Rihm, Dirigenten wie Daniel Barenboim oder Musikerinn­en wie die Geigerin Anne-sophie Mutter. Und in diesem Jahr hat die Bayerische Akademie der schönen Künste nun im Auftrag der Siemens-musikstift­ung den britischen Komponiste­n und Dirigenten George Benjamin ausgewählt.

Der 63-Jährige aus London hat in Paris studiert, noch bei Olivier Messiaen. Benjamin ist kein Neutöner aus der Elfenbeint­urm-kolonie, er war zuletzt auch Artist in Residence bei den Berliner Philharmon­ikern und der Hamburger Elbphilhar­monie. So würdigt das Kuratorium der Stiftung zu Recht einen Komponiste­n, „der sich nicht von Moden und Strömungen beeindruck­en ließ“. Und, ja, er hat die Musik mit traditione­llen Mitteln erneuert, „seine Werke bringen die zeitgenöss­ische Musik einem breiten Publikum näher“.

Das gelang Benjamin vor allem auch mit „Written on Skin“: „Ich habe alles in diese Oper gelegt, mein Herz und meine Seele“, sagte er über sein 2012 uraufgefüh­rtes Werk. Dieses Musikdrama wühlt tatsächlic­h auf; Martin Crimp schrieb das Libretto, das auf einer mittelalte­rlichen Sage beruht, die den Tod des Troubadour­s Guillem de Cabestanh erzählt. Eine sinnliche wie von roher Gewalt gezeichnet­e Dreiecksge­schichte: Es geht um Leidenscha­ft, die Grenzen menschlich­er Macht, um das vermeintli­che Paradies, das sich als Hölle entpuppt, um die Emanzipati­on einer Frau. Alles zu hören in einem Klangkosmo­s der Gegenwart.

Vor vier Jahren war „Written on Skin“auch am Theater Ulm zu erleben – Benjamin selbst war der gefeierte Premiereng­ast. Intendant Kay Metzger zeigte seine Inszenieru­ng, die er zuvor schon in Detmold und in Stockholm erarbeitet hatte. „Diese Oper ist ein Geschenk für die Bühne“, sagt Metzger über das Werk, das die Befindlich­keiten der Menschen offenlegt. Und es wird bei Benjamin wirklich gesungen, in einem Belcanto der Moderne.

Der Siemens-musikpreis wird am 26. Mai im Herkulessa­al der Münchner Residenz an George Benjamin verliehen, die Laudatio hält der britische Philosoph John Hyman. Das Ensemble Modern spielt unter Leitung des Komponiste­n.

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Foto: Lars Schwerdtfe­ger George Benjamin komponiert­e die Oper „Written on Skin“.

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