Gegen alle Rückschläge
Der 22-jährige Marius Mayrhofer aus Dußlingen bei Tübingen hat in Australien mit seinem ersten Sieg bei einem Profirennen für Aufsehen gesorgt.
Acht, neun Mal brüllte er mit einem langegezogenen „Jaaa!“diese Mischung aus Freude und Erleichterung raus. Als Marius Mayrhofer im Ziel weiter vom Rad steigt, überwältigen ihn endgültig die Gefühle: Er sitzt auf dem Asphalt, halb lacht er, halb heult er. Es sind bewegende Szenen, die sich da abspielen im australischen Geelong. „Ich bin gar nicht drauf klargekommen“, sagte Mayrhofer später.
Der 22-jährige gebürtige Tübinger hat am Sonntag den größten Erfolg seiner jungen Karriere gefeiert: Beim zur World-tour zählenden Eintagesrennen „Cadel Evans Great Ocean Road Race“deklassierte er die Konkurrenz im Schlussspurt nach 174,3 Kilometern klar. Auch prominente Fahrer wie Caleb Ewan und Michael Matthews kamen nicht mit. Etwa 250 Meter vor dem Ziel ging er in den Wind und spurtete von vorne zu seinem ersten Profisieg. „Ich habe relativ früh, unheimlich gut Schwung aufgenommen.“
Erfolg trotz Sturzpech
Dabei hatte er zunächst wieder mal Pech: Zu Beginn der zweiten Rennhälfte stürzte vor ihm ein Konkurrent, Mayrhofer konnte nicht mehr ausweichen und fiel drüber. Weil hinter ihm niemand fuhr, ging das Ganze glimpflich aus und Mayrhofer stieg wieder aufs Rad. Mit Rückschlägen kennt sich der 22-Jährige ohnehin aus. Im vergangenen Jahr fuhr er seine erste Saison als Profi für das niederländische Team DSM – eine Seuchensaison. Mehrerer Infekte ließen ihn monatelang kein Rennen fahren. Besserung erhoffte er sich von der Operation der Nasenscheidewand und Nasennebenhöhlen. Bislang kam Mayrhofer gut über den Winter: „Es war das erste Mal seit lange Zeit, dass ich drei Monate am Stück trainieren konnte“, sagt er über das zurückliegende Vierteljahr.
Und das zeigte sich auch in Australien, wo der Junioren-vizeweltmeister von 2018, der sich zum Spezialisten für Eintagesrennen entwickelt hat, sein erstes Rennen seit mehr als vier Jahren gewann. „Ich kann jetzt mehr Leistung treten“, sagt Mayrhofer. Und das ist im Schlussspurt entscheidend. „Ich bin in der Vergangenheit
immer wieder kluge Rennen gefahren, wusste taktisch, was ich machen muss, konnte es aber nicht umsetzen.“
Begonnen hat Mayrhofer als Sechsjähriger auf dem Mountainbike beim Radsportverein Gomaringen, wo er noch immer Mitglied ist, ehe er aufs Rennrad umstieg. Schon als Teenager kämpfte er immer wieder mit Rückschlägen, stürzte regelmäßig,
erlitt Knochenbrüche. „Aber er ist schon immer leidensbereit“, sagte schon 2017 sein früherer Trainer Dieter Brenzel. „Marius ist ein Kämpfer, er weiß, was er will.“Nämlich Profi werden. Das hat geklappt.
Nach drei Wochen in Australien ist Mayrhofer am Dienstag erst mal wieder zu Hause angekommen in Dußlingen, acht Kilometer südlich von Tübingen. Hier
will er sich auf die nächsten Rennen Ende Februar, Anfang März in Belgien vorbereiten. Mayrhofer könnte auch ins Trainingslager nach Spanien, aber er ist eben sehr heimatverbunden: „Ich bin ja schon in einigen Gegenden der Welt Rad gefahren“, sagte der Dußlinger mal. „Aber daheim ist es schon am schönsten.“Je nach Trainingsziel fährt er auf und über die Schwäbische Alb oder durchs Neckartal.
Die Pläne für die weitere Saison sind noch offen. „Wir haben gesagt, wir gucken, wie es läuft.“Möglicherweise gibt er sein Debüt auf einer Grand Tour, einer der drei großen Rundfahrten in Frankreich, Italien oder Spanien. Nur mitfahren würde er dort aber nicht wollen: „Mein Ziel ist nicht Rennen zu starten, sondern Rennen zu gewinnen.“Eine Karriere als Edelhelfer strebt er nicht an. „Ich mache das auch gern mal, das gehört dazu. Aber ab und zu will ich auch eine Chance kriegen.“