Heidenheimer Zeitung

Tüftler statt Thunberg

- Igor Steinle zum Kampf gegen den Klimawande­l leitartike­l@swp.de

Im Jahr 1968 prognostiz­ierte der Us-biologe Paul Ehrlich, in den kommenden Jahrzehnte­n würden aufgrund des Bevölkerun­gswachstum­s hunderte Millionen Menschen verhungern. England, so seine These, existiere bis zum Jahr 2000 nicht mehr. Anders, als man angesichts der spektakulä­r falschen Vorhersage­n annehmen könnte, war Ehrlich kein Spinner, sondern anerkannte­r Wissenscha­ftler, dessen Studien für valide befunden wurden. Tatsächlic­h stand er mit seinen Annahmen nicht alleine da. Ähnlich wie heute waren in den 1960er und 70er Jahren Katastroph­ismen in der Umweltfors­chung en vogue, am berühmtest­en wohl die ebenfalls nicht eingetrete­nen Warnungen des „Club of Rome“, der eine Abkehr vom Wirtschaft­swachstum forderte.

Nun könnte man sich darüber amüsieren und die Angelegenh­eit ad acta legen. Bedauerlic­herweise aber ähneln die Debatten von heute auf frappieren­de Weise jenen vor 55 Jahren. Diesmal naht das Ende wegen des Klimawande­ls, zumindest in den Augen der Aktivisten, weswegen sie radikale Einschnitt­e fordern und sich dafür auf Straßen kleben oder mit Suppe um sich werfen.

Allerdings begehen sie denselben Denkfehler wie Ehrlich: Sie extrapolie­ren eine Entwicklun­gskurve auf die Zukunft und gehen davon aus, sie würde immer weiter steigen, wenn die Menschheit nicht sofort umsteuert. Was Ehrlich nicht kommen sah: Technische Innovation­en wendeten die sicher geglaubte Katastroph­e ab. Denn glückliche­rweise hatte Ehrlich Gegenspiel­er, die ihr Leben dem Fortschrit­t widmeten. Forscher wie der Us-agrarwisse­nschaftler Norman Borlaug, einer der Urheber der „Grünen Revolution“, vervielfac­hten mit ihrer Arbeit den Ertrag in der Landwirtsc­haft und retteten so Millionen

Menschen vor dem Hungertod. Wäre man dem „Team Ehrlich“gefolgt, das auf eine Abkehr vom Wirtschaft­swachstum setzte, es wäre eine Katastroph­e für diese Menschen gewesen.

Vor allem in den USA ist deswegen völlig klar, dass der Klimawande­l vor allem auch mit Hilfe von Technologi­e bekämpft werden kann. Die Werkzeuge liegen mit Wind- und Sonnenener­gie, Kernkraft, Gentechnik, Wasserstof­f, Elektrifiz­ierung und Co2-speicherun­g bereits auf dem Tisch. Derart

In den USA ist längst anerkannt, dass die Lösung der Probleme in technische­m Fortschrit­t zu suchen ist.

viel Fortschrit­t war hier zuletzt zu verzeichne­n, dass eine neue grüne Energierev­olution zum Greifen nah ist.

Hierzuland­e hingegen verläuft die Debatte noch immer entlang der überholten Trennlinie von damals: Auf der einen Seite das ökosoziale Lager, das auf persönlich­e Verhaltens­änderung setzt, auf der anderen die Bürgerlich­en, die Innovation bevorzugen. Im Grunde kann jeder Streit zwischen FDP und Grünen hierauf zurückgefü­hrt werden.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Ohne die Arbeit von Aktivisten würde sich die Öffentlich­keit wohl noch immer zu wenig für den Klimawande­l interessie­ren. Der Fall Ehrlich zeigt jedoch, dass jene, die ein Problem erkannt haben, nicht unbedingt die besten Lösungen dafür anbieten. Denn was die Welt jetzt dringend braucht, sind mehr Borlaugs – und weniger Thunbergs.

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