Arbeitskampf legt Großbritannien lahm
Mehrere Gewerkschaften haben ihre Mitglieder parallel zum Ausstand aufgerufen. Die Wirkung ähnelt einem – nicht erlaubten – Generalstreik. Es geht um höhere Löhne.
Großbritannien erlebte am Mittwoch den größten Arbeitskampf seit mehr als einem Jahrzehnt. Der Bahnverkehr kam praktisch zum Erliegen, nachdem die Lokführer die Arbeit niedergelegt hatten. Rund 120 000 Lehrer streikten ebenfalls, sodass die meisten Schulen schließen mussten. Zusätzlich traten Beamte und öffentliche Angestellte in mehr als 100 Regierungsbehörden in den Ausstand sowie Mitarbeiter in den Universitäten, Busfahrer und Sicherheitskräfte. Insgesamt sieben Gewerkschaften mit mehr als 500000 streikwilligen Beschäftigten hatten ihren Arbeitskampf koordiniert. Der Gewerkschaftsverband TUC rief den 1. Februar zu einem „Tag der Aktion“aus und organisierte landesweit Proteste gegen die von der Regierung geplanten Anti-streikgesetze.
Was schon fast wie ein Generalstreik aussieht, ist es offiziell nicht, weil Solidaritäts- und Sympathie-streiks in Großbritannien seit den Einschränkungen des Streikrechts unter Margaret Thatcher verboten sind. Doch diesmal hatte jede einzelne Gewerkschaft ihre eigenen Auseinandersetzungen, und es geht für alle um eine bessere Bezahlung. Die Briten erleben zurzeit eine Krise bei den Lebenshaltungskosten. Die Inflationsrate ist auf über zehn Prozent gestiegen, bei Lebensmitteln liegt sie knapp unter 17 Prozent. Lohnerhöhungen bleiben dagegen weit darunter. Den Beamten hat man zwei bis drei Prozent mehr angeboten, bei den Lehrern sind es fünf Prozent. Die Gewerkschaften verlangen einen Abschluss über dem Inflationsausgleich, auch weil die Gehälter jahrelang eingefroren waren.
Die Regierung will über eine inflationsgerechte Anhebung der Löhne noch nicht einmal verhandeln. Solche Abschlüsse, unterstreichen Minister, seien schlicht „unbezahlbar“. Premierminister Rishi Sunak argumentiert zudem, dass zweistellige Lohnerhöhungen die Inflation weiter antreiben würden, was freilich auf Widerspruch bei Ökonomen stößt, die darauf hinweisen, dass höhere Gehälter im öffentlichen Sektor die Lohn-preis-spirale nicht notwendigerweise ankurbeln. Denn der öffentliche Dienst müsse im Unterschied zu privaten Unternehmen keine Preise erhöhen, um höhere Gehälter auszugleichen.
Regierung bleibt hart
Die Regierung hat ein neues Anti-streik-gesetz auf den Weg gebracht, das am Montag das Unterhaus passierte. Es soll die Wirksamkeit von Streiks beschränken, indem es ein Mindestniveau an Dienstleistungen in kritischen Bereichen wie Verkehr, Gesundheit, Rettung, Erziehung und Grenzschutz sicherstellen soll. In diesen Sparten wären Arbeitnehmer dazu verpflichtet, einen Minimalbetrieb aufrechtzuerhalten, andernfalls droht die Entlassung.
Für die Regierung von Premier Sunak werden die Streiks zu einem immer größeren Problem. Denn in der Bevölkerung genießen die Streikenden weitgehend Sympathien – zwei Drittel der Briten unterstützen sie und ihre Aktionen.