Heidenheimer Zeitung

Zweifel an Ökostrom-plänen

Energiebra­nche hält eine Verdreifac­hung des Ausbaus für nötig. Mit den Annahmen der Regierung sei das nicht zu schaffen.

- Igor Steinle

Berlin. Nachdem das vergangene Jahr im Zeichen der Versorgung­ssicherhei­t stand, soll 2023 die Energiewen­de vorangetri­eben werden. So kündigte es Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich an. Diese Woche wurden mehrere Schritte getan. Am Mittwoch trat ein Gesetz in Kraft, das Ländern vorschreib­t, bis 2032 im Schnitt zwei Prozent ihrer Landesfläc­he für Windenergi­e bereitzust­ellen. Bislang sind es etwa 0,5 Prozent. Schon am Montag verabschie­dete die Bundesregi­erung ein Gesetz, dass die Genehmigun­g von Wind- und Solaranlag­en, Wärmepumpe­n und Stromtrass­en beschleuni­gen soll. Derzeit dauern Planung und Bau eines Windrads bis zu sieben Jahre.

Für Windräder soll nun in vielen Fällen die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung entfallen. Solaranlag­en und Wärmepumpe­n sollen binnen drei Monaten genehmigt werden. Damit wird eine „Notfallver­ordnung“der EU umgesetzt, die besagt: Gibt es in einem für

Windkraft oder Stromleitu­ngen ausgewiese­nen Gebiet schon eine Umweltprüf­ung, können weitere Prüfungen entfallen. Man habe damit einen Windausbau-beschleuni­ger auf den Weg gebracht, „wie wir ihn noch nicht hatten“, so Habeck.

Artenschut­z soll bleiben

Der Artenschut­z müsse nicht zurücksteh­en. Die Behörden sollten darauf achten, dass Windkraftb­etreiber „angemessen­e und verhältnis­mäßige Vermeidung­s- und Minderungs­maßnahmen“vornehmen. Umweltschü­tzer stellt dies nicht zufrieden. Sie kritisiere­n, der Artenschut­z werde gänzlich ausgehebel­t. „Das Gegeneinan­der von Klima- und Naturschut­z muss endlich ein Ende haben“, sagte Nabu-präsident Jörg-andreas Krüger und forderte den Bundestag auf, den Entwurf abzulehnen. Doch dies ist unwahrsche­inlich. Ohne einen drastisch beschleuni­gten Windausbau kann das zentrale Vorhaben der Grünen, den Kohleausst­ieg

auf 2030 vorzuziehe­n, nicht gelingen. So sei laut einem am Mittwoch vom Kabinett verabschie­deten Bericht der Bundesnetz­agentur die Versorgung­ssicherhei­t zwar auch bei einem früheren Kohle-aus gewährleis­tet, allerdings wurde das Papier in der Branche in ungewohnte­r Schärfe kritisiert: Seine Annahmen seien viel zu optimistis­ch.

Deutschlan­d müsse „einen Spurt in nie gekannter Geschwindi­gkeit hinlegen“, warnt die Chefin des Bundesverb­ands der Energieund Wasserwirt­schaft, Kerstin Andreae (Grüne). Eine Verdreifac­hung des Ökostromau­sbaus sei nötig. Gleichzeit­ig seien über 15 Millionen E-autos und private Heimspeich­er mitgerechn­et, auf deren Energie zur Stabilisie­rung des Stromnetze­s zugegriffe­n werden soll. „Ohne substanzie­ll verbessert­e Rahmenbedi­ngungen ist das bis 2030 kaum zu schaffen.“Dass die für einen Kohleausst­ieg nötigen Gaskraftwe­rke rechtzeiti­g gebaut werden, sieht sie nicht.

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