Heidenheimer Zeitung

„Es wird mehr, es wird enger“

- Tobias Hauser

Tibor Petzoldt ist Verkehrsps­ychologe an der Technische­n Universitä­t Dresden. Der Professor weiß, ob die Aggression­en im Straßenver­kehr immer weiter ansteigen.

Warum ist das Thema Radfahrer gegen Autofahrer so ein Konfliktfe­ld? Tibor Petzoldt:

Vorab – ob die vermeintli­che Debatte ein akkurates Abbild dessen liefert, was tatsächlic­h auf den Straßen passiert, bezweifle ich. Es ist wissenscha­ftlich schwer zu belegen, dass mehr Aggressivi­tät im Straßenver­kehr herrscht. Fakt ist aber: Es gibt mehr Leute auf Fahrrädern, und zwar allen möglichen Varianten. Der Platz und die Zahl der Autofahrer bleiben währenddes­sen gleich. Da ist dann relativ klar, dass die Anzahl an Begegnunge­n und damit zwangsläuf­ig auch die Anzahl der unschönen Begegnunge­n steigt. Das geht gar nicht anders.

Was könnte ein Auslöser für die Debatte sein?

Radfahren wird positiv wahrgenomm­en, es ist umweltfreu­ndlich. Vor allem im städtische­n Raum sehen wir entspreche­nd viele Maßnahmen zur Förderung des Radverkehr­s, auch zulasten der Autofahrer. Es wird einem ein Fahrstreif­en weggenomme­n oder ein Parkplatz. Selbst, wenn man noch nicht unmittelba­r betroffen ist, bangt man um Gewohnheit­en. Zudem nehmen Autofahrer auch direkt oder indirekt wahr, dass sie deutlich kritischer gesehen werden als noch vor einigen Jahren. Eine diffuse Bedrohung, könnte man sagen. Der Radfahrer, der da als Inbegriff der Umweltfreu­ndlichkeit an einem vorbeifähr­t, ist dann vielleicht ein leichtes Ziel für Zorn.

Sie sprechen von einer vermeintli­chen Debatte. Glauben Sie nicht, dass die Diskussion aufgeladen ist?

Man tut dem Thema keinen Gefallen, wenn man es zu sehr mit subjektive­n Wahrnehmun­gen emotionali­siert. Früher gab es auch schon Konflikte, die wurden dann aber nicht auf Twitter breitgetre­ten. Die 99 Prozent, die sich kooperativ verhalten, fallen nicht auf. Klar ist: Es wird mehr, es wird enger, dafür brauchen wir Lösungen. Lösungen, über die wir uns sachlich unterhalte­n sollten.

Was müsste sich ändern?

Im Straßenver­kehr selbst muss man alles dafür tun, dass es allen Beteiligte­n leichtgema­cht wird, miteinande­r zu interagier­en. Die Infrastruk­tur, die wir haben, ist darauf nicht ausgericht­et. Autofahrer werden Einschränk­ungen hinnehmen müssen. Das hilft im Endeffekt nicht nur den Radfahrern, sondern schafft auch eine lebenswert­ere Situation für Anwohner.

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Foto: Hermann Winne Verkehrsps­ychologe Tibor Petzoldt.

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