Liebe Verweildauer,
Du bist ein Begriff von nahezu berauschender Schlichtheit, einst dazu ersonnen, die Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus zu beschreiben, sprich: ein mustergültiges Beispiel bürokratischen Talents zur Verknappung.
Wir erinnern uns: Einst lag die Verweildauer, etwa nach einem Beinbruch, bei entspannten zwei Wochen. Der Patient wurde versorgt mit Zigarren, stärkenden Getränken, dicken Soßen und allen anderen Annehmlichkeiten, die seine Genesung fördern sollten.
Heute erhält man nach dem Eingipsen noch ein Schälchen gedämpftes Gemüse und findet sich im Freien wieder. (Sicherheitshinweis: Diese Zeilen bedienen sich der Stilmittel Ironie und Übertreibung).
Du, liebe Verweildauer, bist im medizinischen Sektor also heftig eingeschrumpelt. In anderen Bereichen bist Du dagegen in einem Wachstum begriffen, das die deutsche Wirtschaft geradezu in Verzückung versetzen würde.
Die Verweildauer des vor dem Heidenheimer Römerbadmuseums abgelegten Weihnachtsbaums übertraf nämlich die aller anderen Jahresendfichten. Zum Ende seiner Verweildauer, am letzten Tag des Januars, ließ er zwar schon Nadeln, aber eigentlich sah er noch ganz fit aus. Mal davon abgesehen, dass die Beziehung der Römer zu Weihnachtsbäumen noch nicht zweifelsfrei belegt ist.
Diese Form ausgedehnter Verweildauer gemahnt uns jedenfalls, dass nicht immer, überall und allerorten Hektik notwendig ist. Das um den Dreikönigstag einsetzende würdelose Zerren von Nadelbäumen zu anonymen Ablageplätzen könnte ein Ende haben. In Zukunft könnte man den ausgedienten Wohnraumschmuck einfach vor öffentliche Gebäude legen, wo sie eine lange Verweildauer genießen und noch etwas Duft verbreiten. Aber Du liest das ja eh nicht.