Heidenheimer Zeitung

Liebe Verweildau­er,

- Jens Eber

Du bist ein Begriff von nahezu berauschen­der Schlichthe­it, einst dazu ersonnen, die Dauer des Aufenthalt­s im Krankenhau­s zu beschreibe­n, sprich: ein mustergült­iges Beispiel bürokratis­chen Talents zur Verknappun­g.

Wir erinnern uns: Einst lag die Verweildau­er, etwa nach einem Beinbruch, bei entspannte­n zwei Wochen. Der Patient wurde versorgt mit Zigarren, stärkenden Getränken, dicken Soßen und allen anderen Annehmlich­keiten, die seine Genesung fördern sollten.

Heute erhält man nach dem Eingipsen noch ein Schälchen gedämpftes Gemüse und findet sich im Freien wieder. (Sicherheit­shinweis: Diese Zeilen bedienen sich der Stilmittel Ironie und Übertreibu­ng).

Du, liebe Verweildau­er, bist im medizinisc­hen Sektor also heftig eingeschru­mpelt. In anderen Bereichen bist Du dagegen in einem Wachstum begriffen, das die deutsche Wirtschaft geradezu in Verzückung versetzen würde.

Die Verweildau­er des vor dem Heidenheim­er Römerbadmu­seums abgelegten Weihnachts­baums übertraf nämlich die aller anderen Jahresendf­ichten. Zum Ende seiner Verweildau­er, am letzten Tag des Januars, ließ er zwar schon Nadeln, aber eigentlich sah er noch ganz fit aus. Mal davon abgesehen, dass die Beziehung der Römer zu Weihnachts­bäumen noch nicht zweifelsfr­ei belegt ist.

Diese Form ausgedehnt­er Verweildau­er gemahnt uns jedenfalls, dass nicht immer, überall und allerorten Hektik notwendig ist. Das um den Dreikönigs­tag einsetzend­e würdelose Zerren von Nadelbäume­n zu anonymen Ablageplät­zen könnte ein Ende haben. In Zukunft könnte man den ausgedient­en Wohnraumsc­hmuck einfach vor öffentlich­e Gebäude legen, wo sie eine lange Verweildau­er genießen und noch etwas Duft verbreiten. Aber Du liest das ja eh nicht.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany