Heidenheimer Zeitung

Letzte Chance auf ein besseres Leben

Immer und immer wieder wurde ein 33-jähriger Giengener zum Täter. Zuletzt, um sich durch den Diebstahl einer Kreissäge seinen Drogenkons­um zu finanziere­n. Trotzdem kam er mit einerbewäh­rungsstraf­e letztlich noch mal davon.

- Von Theodor Hölzle

Der Fall, der vor dem Amtsgerich­t Heidenheim verhandelt wurde, sah auf den ersten Blick nach einer klaren Sache aus: Am 30. März 2022 soll der Angeklagte, ein 33-jähriger Mann aus Giengen, einen Giengener Baumarkt besucht haben. Laut Anklagesch­rift hat er dort eine akkubetrie­bene Kreissäge in seinen Rucksack gesteckt und versucht, den Laden zu verlassen, ohne zu bezahlen. Das Personal des Baumarkts hatte ihn beobachtet, eine Mitarbeite­rin stellte sich dem Mann in den Weg, um ihn aufzuhalte­n. Der Angeklagte stieß die Frau zur Seite und rannte aus dem Gebäude.

Bei Flucht Mitarbeite­rin verletzt

Die 54-jährige Mitarbeite­rin sagte als Zeugin über ihre Verletzung aus. Sie habe eine Muskelzerr­ung und Muskelverh­ärtung erlitten, wodurch sie eineinhalb Wochen nicht zur Arbeit habe gehen können. Zusätzlich habe sie vier Wochen lang Schmerzmit­tel eingenomme­n. Dem Angeklagte­n wurde deswegen neben Diebstahl auch Körperverl­etzung vorgeworfe­n.

Über die Verletzung der Mitarbeite­rin schien der Angeklagte sehr unglücklic­h. Er zeigte sich geständig und erzählte, dass er die Kreissäge stehlen und weiterverk­aufen wollte, um seinen Drogenkons­um zu finanziere­n. Dabei sei es nie seine Intention gewesen, jemanden zu verletzen, er sei einfach nur in Panik weggerannt. Aus diesem Grund habe er die Kreissäge an einem nahen Feldweg

weggeworfe­n, entgegen seines ursprüngli­chen Plans.

Um Drogen zu bezahlen

Dieser Diebstahl war zwar der jüngste, aber bei Weitem nicht der einzige, mit dem der Giengener aufgefalle­n war. Die Aufzählung

aller vorherigen Prozesse gegen den Angeklagte­n dauerte eine ganze Weile. Richter Dr. Christoph Edler erwähnte insgesamt 15 Verfahren, die meisten drehten sich um Diebstahl und Hausfriede­nsbruch, doch auch Erschleich­ung von Leistungen, Trunkenhei­t

am Steuer und der Besitz von Betäubungs­mittel spielten eine Rolle.

In vielen Fällen kam der Angeklagte mit Geldstrafe­n davon, Haftstrafe­n aber blieben nicht aus. Diese waren alle auf Bewährung ausgesetzt, oftmals wurden sie später doch noch vollstreck­t. Zum Zeitpunkt des aktuellen Prozesses war der 33-Jährige erst seit zwölf Tagen wieder auf freiem Fuß, eine weitere zweijährig­e Haftstrafe stand noch zusätzlich aus.

Sinneswand­el im Gefängnis

Laut eigener Aussage wollte der Angeklagte dieses Leben nun hinter sich lassen. Als Grund dafür gab er an, dass er mit seiner Freundin nun ein sieben Monate altes Kind habe, von dem er nicht getrennt sein wolle. Im Gefängnis habe er sich um eine Therapie für sein Drogenprob­lem bemüht und angefangen, nach einem Job zu suchen. Noch am Tag der Verhandlun­g wolle er zudem bei einer Zeitarbeit­sfirma unterschre­iben.

Die Staatsanwä­ltin fügte hinzu, dass der Angeklagte Briefe aus dem Gefängnis geschriebe­n habe, mit denen er nach Hilfe suchte, und angab, sich bessern zu wollen. Das seien Worte, die „das Strafverfo­lgerherz schon freuen“, so die Staatsanwä­ltin. Der Verteidige­r des Angeklagte­n erwähnte, dass dies der erste Prozess sei, zu dem der 33-Jährige überhaupt erschienen sei, auch das zeige seine veränderte Haltung.

Staatsanwä­ltin und Richter einig

In Anbetracht dieser Entwicklun­gen waren sich die Staatsanwä­ltin und Richter Edler einig, dass eine Neuordnung der Strafe wünschensw­ert wäre. Tatsächlic­h berieten sie sogar gemeinsam, wie das rechtlich umgesetzt werden könnte. In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwä­ltin schließlic­h eine Haftstrafe von zwei Jahren, allerdings ausgesetzt zur Bewährung. „Das ist ein straffer Zusammenzu­g, um Ihnen nicht die Zukunft zu verbauen“, so die Staatsanwä­ltin. Sie sprach aber auch die früheren Bewährungs­strafen an, die nicht funktionie­rt hatten.

Der Angeklagte solle dieses Urteil deswegen als „letzte Chance“ansehen. Edler schloss sich dem in seinem Urteil an.

Vier Jahre auf Bewährung

Mit der neu gebildeten Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung geht ein Bewährungs­zeitraum von vier Jahren einher. In dieser Zeit darf der Giengener nicht wieder straffälli­g werden. Zusätzlich muss der Angeklagte den Preis der zuletzt gestohlene­n Kreissäge bezahlen. Edler betonte, dass das Leben des Angeklagte­n auch in Zukunft nicht immer leicht sein würde, forderte ihn aber dazu auf, an dem neuen Pfad festzuhalt­en.

 ?? Foto: Oliver Vogel ?? Glimpflich ausgegange­n ist die Verhandlun­g für einen 33-jährigen Giengener, der trotz mehrerer Straftaten nicht noch mal ins Gefängnis muss.
Foto: Oliver Vogel Glimpflich ausgegange­n ist die Verhandlun­g für einen 33-jährigen Giengener, der trotz mehrerer Straftaten nicht noch mal ins Gefängnis muss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany