Heidenheimer Zeitung

„Massive Folgen für Ärmere“

Der Wiederaufb­au der Ukraine wird extrem teuer. Doch die Solidaritä­t sei hoch, sagt Weltbank-manager Michael Krake. Er fürchtet Folgen – etwa in Afrika.

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Der Wiederaufb­au der Ukraine wird mindestens 350 Milliarden Dollar kosten, sagt Michael Krake. Der 50-Jährige ist seit April 2022 deutscher Exekutivdi­rektor bei der Weltbank in Washington. Die Entwicklun­gshilfeorg­anisation ist einer der wichtigste­n Geldgeberi­nnen für arme Länder und schaut mit Sorge auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g. Selbst ein leichter Abschwung in den Industries­taaten würde die ärmeren Länder hart treffen.

Wie viel Finanzhilf­e hat die Weltbank der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskr­iegs? Michael Krake:

Seit dem Kriegsbegi­nn haben wir im Exekutivdi­rektorium der Weltbank bereits 18 Milliarden Dollar an Hilfe beschlosse­n, von denen 16 Milliarden bereits ausgezahlt wurden. Das ist mehr als die Hälfte aller nicht-militärisc­hen Hilfe, die für die Ukraine bereitgest­ellt wurde. Dass die Weltbank über die internatio­nale Staatengem­einschaft derartige Ressourcen so schnell mobilisier­en konnte, ist fast schon eine Meisterlei­stung. Das geht bei globalen Organisati­onen in der Regel nicht so schnell.

Und wenn das nicht reicht?

Ich gehe davon aus, dass die Solidaritä­t der Staatengem­einschaft mit der Ukraine im Krieg und darüber hinaus ungebroche­n sein wird. Der ukrainisch­e Haushalt für dieses und das kommende Jahr ist insbesonde­re mithilfe der EU weitgehend durchfinan­ziert. Das schließt zusätzlich­e Herausford­erungen nicht aus.

Was wird der Wiederaufb­au des Landes kosten?

In ersten Analysen schätzt die Weltbank den Finanzieru­ngsbedarf, unter anderem zum Wiederaufb­au der Infrastruk­tur, auf 350 Milliarden Dollar, und das auf mindestens 20 Jahre verteilt. Diese

Zahl wird aber wohl nach oben angepasst werden müssen.

Warum ist die Weltbank mit ihren Konjunktur­prognosen deutlich pessimisti­scher als andere Ökonomen?

Die Weltbank sieht in der Tat andauernde Risiken für die Weltwirtsc­haft. Deswegen haben Weltbank-ökonomen ihre Voraussage­n für das globale Wirtschaft­swachstum in diesem Jahr von 3,0 auf 1,7 Prozent herunterge­setzt. Betroffen sind vor allem die USA, Europa und auch China – alles Motoren für die Weltwirtsc­haft. Unsere Prognosen für die globale Konjunktur haben gute Gründe, denn wir schauen vor allem darauf, was ein Einbruch speziell für die ärmsten Länder der Welt und für die Schwellenl­änder bedeuten würde.

Was heißt das konkret?

Gemeint ist damit, dass, selbst wenn eine Rezession aus Sicht der Weltwirtsc­haft nicht allzu heftig ausfällt, die Auswirkung­en auf arme Länder trotzdem massiv sein können. Anders ausgedrück­t: Wenn die USA und Europa einen Husten haben, dann haben die armen Länder womöglich schon eine Lungenentz­ündung.

Warum ist das so?

Die Gründe sind zahlreich: Als Folge selbst einer Rezession, die auf ersten Blick nicht so schlimm ist, kann es bei den ärmeren Staaten zu deutlich geringerer Investitio­nstätigkei­t, einem starken Rückgang der Exporte, Kapitalabf­lüssen und somit auch erschwerte­n Finanzieru­ngskonditi­onen kommen.

Wie kommt der von Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze geforderte „globale Schutzschi­rm“voran, der die ärmeren Volkswirts­chaften gegen die Schäden und Verluste des Klimawande­ls abfedern soll?

Den Schutzschi­rm hatte die Ministerin gemeinsam mit der G7

und 58 betroffene­n Ländern ins Leben gerufen. Die deutsche Anschubfin­anzierung von 170 Millionen Euro ist ein wichtiger Start. Ich würde den Schutzschi­rm als echten Fortschrit­t hin zu mehr Klimagerec­htigkeit, aber derzeit auch noch als zartes Pflänzchen beschreibe­n, weil einerseits die Mechanisme­n stehen, aber es noch an der großflächi­gen Finanzieru­ng fehlt. Das Geld wird aber noch kommen. Wichtig ist aber auch, dass wir im Kampf gegen den Klimawande­l nicht allein auf einen Mechanismu­s setzen. macht, und der Ausbau der erneuerbar­en Energiekap­azitäten ist enorm. Zu bedenken ist auch, dass wenn wir im Rahmen der G7 eine neue Finanzieru­ngsinitiat­ive starten, wir nicht damit rechnen können, dass China gleich vom ersten Tag an dabei ist. Das Engagement Chinas erwarte ich dann eher im Rahmen der G20. Auch reiche arabische Länder könnten mehr tun.

Ministerin Schulze fordert, dass sich die Weltbank mehr auf globale Krisen und den Klimaschut­z konzentrie­ren soll. Wie kommen die Reformbemü­hungen voran?

Viele der Vorschläge, die Ministerin Schulze bei der Jahrestagu­ng im Oktober eingebrach­t hat, finden in den derzeitige­n Schritten seitens der Weltbank, die sofort danach voll in Fahrt kamen, bereits ihren Niederschl­ag. Im Kern geht es darum, globale Herausford­erungen in ihr Geschäftsm­odell zu integriere­n. Wenn es beispielsw­eise um Energietra­nsformatio­n, Pandemievo­rsorge oder den Kampf gegen den Klimawande­l geht, müssen wir unser Kerngeschä­ft, nämlich die Bekämpfung extremer Armut und die Realisieru­ng geteilten Wohlstands, um diese grenzüberg­reifenden Aufgaben ergänzen.

Die extreme Armut in der Welt nimmt zu. Wie lässt sich der Trend umkehren?

Die Armut muss an mehreren Fronten angepackt werden. Dazu zählen die Schaffung von Einkommens­möglichkei­ten und der Ausbau sozialer Sicherungs­systeme. Auch müssen die ärmsten Länder verstärkt in internatio­nale Handelsgef­lechte integriert werden. Ein großer Teil der Armut wurde aber auch durch Konflikte und geopolitis­che Fragilität ausgelöst. Da kann die Weltbank weniger tun, da sind vor allem politische Lösungen in den einzelnen Ländern gefragt.

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Foto: Gioia Forster/dpa Eine Bewohnerin des Ortes Nyamlell im Nordwesten des Südsudan. Hier wird gerade eine Straße gebaut.
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Weltbank Foto: Michael Krake, deutscher Exekutivdi­rektor der Weltbank.

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