Heidenheimer Zeitung

„Nicht hinter Ideologien verstecken“

Katholisch­e Laienvertr­eter wehren sich gegen Stoppsigna­l aus Rom. Für rein kosmetisch­e Reformen will sich das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken nicht hergeben.

- Von Elisabeth Zoll

Das Nein war klar: Papst Franziskus will kein neues Gremium, in dem Laien mit einzelnen Bischöfen über Fragen der Kirche bestimmen. Das untergrabe die Bischofsko­nferenz. Solch ein Gremium, der Synodale Rat, wurde in Deutschlan­d aber mehrheitli­ch von Bischöfen und Laien beschlosse­n. Eine der treibenden Kräfte ist das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZDK). Deren Präsidenti­n und Vizepräsid­ent halten am Beschluss fest.

Der Papst hat ein klares Nein zum Synodalen Rat gesprochen, einem Gremium, in dem Laien und Bischöfe wichtige Fragen der Kirche behandeln wollen. Was bedeutet das für Sie, die Sie sich für solch ein Gremium einsetzen? Irme Stetter-karp:

Die Kritik aus Rom macht deutlich, dass es dort Zerrbilder über unsere Ziele und unser Vorgehen gibt. Doch wir halten am Beschluss der Synodalver­sammlung fest, die sich für solch ein Gremium ausgesproc­hen hat. Wir werden in diesem Rat nicht über die Weltkirche verhandeln. Auch für uns gilt der Rahmen des bestehende­n Kirchenrec­hts.

Thomas Söding: Für mich weist der Konflikt mit Rom auf zwei unterschie­dliche Kirchenbil­der: Eines, das tief im 19. Jahrhunder­t verwurzelt ist, und alle Macht den Bischöfen geben will. Und ein anderes, das von einer synodalen Kirche ausgeht, die partizipat­ive Strukturen hat. Als ZDK sind wir da engagiert.

Doch Rom macht klar, dass sich an der bestehende­n Hierarchie nichts ändern soll: Die Bischöfe – und nur die – bestimmen und die Laien folgen. Wo sehen Sie da Spielraum für Veränderun­gen? Söding:

Das Kirchenrec­ht sieht eine Leitungsfu­nktion der Bischöfe vor. Das ist katholisch. Neubestimm­t werden muss jedoch, wie diese Leitungsfu­nktion ausgeübt wird. Und da sagen wir, das darf nicht monopolist­isch sein, so als wäre die Monarchie das Leitbild der katholisch­en Kirche. Das muss partizipat­iv geschehen. Dafür tragen die Bischöfe Verantwort­ung.

Wie können Sie den römischen Zerrbilder­n etwas entgegense­tzen? Stetter-karp:

Es gibt leider bislang keine direkten Gespräche. Rom verweigert sich dem ZDK ebenso wie es sich dem Synodalprä­sidium als Ganzem verweigert. Das macht alles nicht nur schwierige­r, sondern ist auch zermürbend und enttäusche­nd. Doch das ändert nichts an unserer Überzeugun­g, die katholisch­e Kirche aus der Perspektiv­e der Laien mitzugesta­lten und zu verändern, damit diese eine überzeugen­dere Antwort auf die Situation heute geben kann.

Söding: In der katholisch­en Kirche gibt es Kräfte, die den Status quo beinhart verteidige­n und es gibt andere, getragen von Millionen von Katholikin­nen und Katholiken, die eine Veränderun­g wollen. Auch unter den Bischöfen

und selbst in der Kurie versuchen nicht wenige, den Problemdru­ck mit konstrukti­ven Lösungen aufzuarbei­ten. Aber diese konstrukti­ven Lösungen müssen auch ernst genommen werden.

Rom lässt in der Debatte um Reformen theologisc­he Argumente nicht gelten. Was haben die Laien dann noch in der Hand? Söding:

Mal abwarten, man kann Argumente nicht einfach wegfegen. Wenn ich endgültig den Eindruck gewinnt müsste, nicht die Argumente zählen, es zählt nur die Macht, fände ich das verheerend. Denn das steht in einem totalen Widerspruc­h zur Idee von Kirche. Deshalb braucht es Theologinn­en und Theologen, die in der Lage sind, Probleme zu analysiere­n und Lösungen zu erarbeiten. Wir haben da für Deutschlan­d auf dem Synodalen Weg viel erreicht. Also, ich sage: Lasst uns Erkenntnis­se umsetzen und uns nicht hinter Ideologien verstecken.

Stellt sich angesichts der römischen Blockade nicht die Frage, ob es ein Fehler war, sich auf einen Gesprächsp­rozess mit den Bischöfen einzulasse­n? Stetter-karp:

Wir werden als Vertretung der Laien in Deutschlan­d nicht den Fehler machen, gerade jetzt denjenigen in die Hände zu spielen, die darauf warten, dass wir einknicken und unsere Treiberfun­ktion aufgeben. Wir haben den Traum von einer Kirche, die etwas Besseres zu tun hat, als nur die Macht zu verteidige­n.

Was erwarten Sie da von den deutschen Bischöfen? Stetter-karp:

Dass sie wie wir zu den Beschlüsse­n der Synodalver­sammlung stehen. Bis jetzt hat die Mehrheit der Bischöfe das auch bekundet. Wir werden davon auch nichts preisgeben, weil wir nach vorne wollen und nicht rückwärts.

Gibt es für das ZDK eine rote Linie? Stetter-karp:

Ich halte nicht viel davon, Grenzen schon vorab zu definieren. Aber es gibt Essentials, die ich benennen kann: Wenn die Mehrheit der Bischöfe abrücken würde von ihrem Beschluss, dass wir in einem Synodalrat gemeinsam beraten und beschließe­n, wäre das ein Punkt, an dem wir sagen müssen: Zu rein kosmetisch­en Reformen sind wir nicht bereit.

Trifft Sie der Angriff aus Rom, das ZDK sei elitär und könne nicht für die Laien in Deutschlan­d sprechen? Söding:

Mich hat der Vorwurf eher verwundert, kommt er doch ausgerechn­et von jenen, die die höchste elitäre Position in der Kirche haben. Ich weiß um diese Vorurteile, aber ich weiß, dass das, was wir als ZDK in die Diskussion einbringen, tief verwurzelt ist in den katholisch­en Verbänden, in den Gemeinden und bei all jenen, die versuchen, das Kirchensch­iff auf Kurs zu halten. Da haben wir kein Legitimati­onsproblem. Das haben schon eher die, die immer wieder Briefe nach Rom schreiben.

Stetter-karp: Für mich ist es ein zwiespälti­ger Spiegel, der uns da vorgehalte­n wird. Wenn ich Elite mit Avantgarde übersetze, steht uns der Vorwurf wunderbar zu Gesicht. Denn er besagt, dass wir eine Idee davon haben, wie Kirche im 21. Jahrhunder­t sein könnte. Allerdings war der Vorwurf aus Rom verbunden mit dem Hinweis, wir seien nicht die Vertreteri­nnen und Vertreter des Volkes Gottes. Da frage ich mich dann schon: Wo in der Welt gibt es eine vergleichb­are Vertretung wie in Deutschlan­d, die sich aus gewählten Mitglieder­n aus allen Diözesen und Verbänden zusammense­tzt?

Sie werden am Europäisch­en Kirchentre­ffen in Prag teilnehmen. Welche Erwartung knüpfen Sie daran? Stetter-karp:

Die Präsenzsit­uation bietet eine Möglichkei­t zu hören, was andere Ortskirche­n in die weltweite Debatte einbringen werden, welche Lösungen sie anstreben. Und wir werden unsere Vorstellun­gen einbringen.

Söding: Grundlage der Vorbereitu­ngstreffen für die Weltsynode im Herbst war eine weltweite Befragung der Kirchenmit­glieder. Diese zeigt, dass die Probleme, mit denen wir uns in Deutschlan­d beschäftig­en, Probleme der katholisch­en Kirche weltweit sind. Die üble Unterstell­ung, wir würden uns auf einem deutschen Sonderweg bewegen, wurde dadurch widerlegt. Weltweit gibt es den Ruf der Frauen nach Rechten, nach Beteiligun­g. Auch das Problem des Klerikalis­mus, der überborden­den Macht der Kleriker, existiert weltweit. Und viele Ortskirche­n wünschen sich wie die unsrige eine integriere­nde Sexualmora­l, die Menschen nicht mehr ausschließ­t.

Welches Signal kann von Prag ausgehen? Stetter-karp:

Ich erwarte ein Zeichen, dass bei der Weltsynode in Rom Frauen beteiligt werden müssen, am besten mit Stimmrecht.

Söding: Das werden sehr viele Männer unterstütz­en.

Münden soll das in einen weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus initiiert hat. Ist das Vorhaben für Sie noch glaubwürdi­g? Stetter-karp:

Ich denke, die Frage kann ich nach Prag besser beurteilen. Doch ich nehme Papst Franziskus ab, dass er eine Kirche will, die sich in neuer Weise drängenden Fragen stellt. Dafür gibt es Belege. Allerdings sehe ich auch Kämpfe im Vatikan und das Lavieren des Papstes. Aber der Durchbruch zu einer veränderte­n Kultur in der Kirche ist von ihm selbst gewollt. Wir stehen in diesem Anliegen an seiner Seite.

 ?? Foto: Julia Steinbrech­t/kna ?? Die Ampel steht auf Rot. Ein neues Gremium, in dem Laien und Bischöfe gemeinsam bestimmen, lehnt Rom ab.
Foto: Julia Steinbrech­t/kna Die Ampel steht auf Rot. Ein neues Gremium, in dem Laien und Bischöfe gemeinsam bestimmen, lehnt Rom ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany