„Nicht hinter Ideologien verstecken“
Katholische Laienvertreter wehren sich gegen Stoppsignal aus Rom. Für rein kosmetische Reformen will sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nicht hergeben.
Das Nein war klar: Papst Franziskus will kein neues Gremium, in dem Laien mit einzelnen Bischöfen über Fragen der Kirche bestimmen. Das untergrabe die Bischofskonferenz. Solch ein Gremium, der Synodale Rat, wurde in Deutschland aber mehrheitlich von Bischöfen und Laien beschlossen. Eine der treibenden Kräfte ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK). Deren Präsidentin und Vizepräsident halten am Beschluss fest.
Der Papst hat ein klares Nein zum Synodalen Rat gesprochen, einem Gremium, in dem Laien und Bischöfe wichtige Fragen der Kirche behandeln wollen. Was bedeutet das für Sie, die Sie sich für solch ein Gremium einsetzen? Irme Stetter-karp:
Die Kritik aus Rom macht deutlich, dass es dort Zerrbilder über unsere Ziele und unser Vorgehen gibt. Doch wir halten am Beschluss der Synodalversammlung fest, die sich für solch ein Gremium ausgesprochen hat. Wir werden in diesem Rat nicht über die Weltkirche verhandeln. Auch für uns gilt der Rahmen des bestehenden Kirchenrechts.
Thomas Söding: Für mich weist der Konflikt mit Rom auf zwei unterschiedliche Kirchenbilder: Eines, das tief im 19. Jahrhundert verwurzelt ist, und alle Macht den Bischöfen geben will. Und ein anderes, das von einer synodalen Kirche ausgeht, die partizipative Strukturen hat. Als ZDK sind wir da engagiert.
Doch Rom macht klar, dass sich an der bestehenden Hierarchie nichts ändern soll: Die Bischöfe – und nur die – bestimmen und die Laien folgen. Wo sehen Sie da Spielraum für Veränderungen? Söding:
Das Kirchenrecht sieht eine Leitungsfunktion der Bischöfe vor. Das ist katholisch. Neubestimmt werden muss jedoch, wie diese Leitungsfunktion ausgeübt wird. Und da sagen wir, das darf nicht monopolistisch sein, so als wäre die Monarchie das Leitbild der katholischen Kirche. Das muss partizipativ geschehen. Dafür tragen die Bischöfe Verantwortung.
Wie können Sie den römischen Zerrbildern etwas entgegensetzen? Stetter-karp:
Es gibt leider bislang keine direkten Gespräche. Rom verweigert sich dem ZDK ebenso wie es sich dem Synodalpräsidium als Ganzem verweigert. Das macht alles nicht nur schwieriger, sondern ist auch zermürbend und enttäuschend. Doch das ändert nichts an unserer Überzeugung, die katholische Kirche aus der Perspektive der Laien mitzugestalten und zu verändern, damit diese eine überzeugendere Antwort auf die Situation heute geben kann.
Söding: In der katholischen Kirche gibt es Kräfte, die den Status quo beinhart verteidigen und es gibt andere, getragen von Millionen von Katholikinnen und Katholiken, die eine Veränderung wollen. Auch unter den Bischöfen
und selbst in der Kurie versuchen nicht wenige, den Problemdruck mit konstruktiven Lösungen aufzuarbeiten. Aber diese konstruktiven Lösungen müssen auch ernst genommen werden.
Rom lässt in der Debatte um Reformen theologische Argumente nicht gelten. Was haben die Laien dann noch in der Hand? Söding:
Mal abwarten, man kann Argumente nicht einfach wegfegen. Wenn ich endgültig den Eindruck gewinnt müsste, nicht die Argumente zählen, es zählt nur die Macht, fände ich das verheerend. Denn das steht in einem totalen Widerspruch zur Idee von Kirche. Deshalb braucht es Theologinnen und Theologen, die in der Lage sind, Probleme zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten. Wir haben da für Deutschland auf dem Synodalen Weg viel erreicht. Also, ich sage: Lasst uns Erkenntnisse umsetzen und uns nicht hinter Ideologien verstecken.
Stellt sich angesichts der römischen Blockade nicht die Frage, ob es ein Fehler war, sich auf einen Gesprächsprozess mit den Bischöfen einzulassen? Stetter-karp:
Wir werden als Vertretung der Laien in Deutschland nicht den Fehler machen, gerade jetzt denjenigen in die Hände zu spielen, die darauf warten, dass wir einknicken und unsere Treiberfunktion aufgeben. Wir haben den Traum von einer Kirche, die etwas Besseres zu tun hat, als nur die Macht zu verteidigen.
Was erwarten Sie da von den deutschen Bischöfen? Stetter-karp:
Dass sie wie wir zu den Beschlüssen der Synodalversammlung stehen. Bis jetzt hat die Mehrheit der Bischöfe das auch bekundet. Wir werden davon auch nichts preisgeben, weil wir nach vorne wollen und nicht rückwärts.
Gibt es für das ZDK eine rote Linie? Stetter-karp:
Ich halte nicht viel davon, Grenzen schon vorab zu definieren. Aber es gibt Essentials, die ich benennen kann: Wenn die Mehrheit der Bischöfe abrücken würde von ihrem Beschluss, dass wir in einem Synodalrat gemeinsam beraten und beschließen, wäre das ein Punkt, an dem wir sagen müssen: Zu rein kosmetischen Reformen sind wir nicht bereit.
Trifft Sie der Angriff aus Rom, das ZDK sei elitär und könne nicht für die Laien in Deutschland sprechen? Söding:
Mich hat der Vorwurf eher verwundert, kommt er doch ausgerechnet von jenen, die die höchste elitäre Position in der Kirche haben. Ich weiß um diese Vorurteile, aber ich weiß, dass das, was wir als ZDK in die Diskussion einbringen, tief verwurzelt ist in den katholischen Verbänden, in den Gemeinden und bei all jenen, die versuchen, das Kirchenschiff auf Kurs zu halten. Da haben wir kein Legitimationsproblem. Das haben schon eher die, die immer wieder Briefe nach Rom schreiben.
Stetter-karp: Für mich ist es ein zwiespältiger Spiegel, der uns da vorgehalten wird. Wenn ich Elite mit Avantgarde übersetze, steht uns der Vorwurf wunderbar zu Gesicht. Denn er besagt, dass wir eine Idee davon haben, wie Kirche im 21. Jahrhundert sein könnte. Allerdings war der Vorwurf aus Rom verbunden mit dem Hinweis, wir seien nicht die Vertreterinnen und Vertreter des Volkes Gottes. Da frage ich mich dann schon: Wo in der Welt gibt es eine vergleichbare Vertretung wie in Deutschland, die sich aus gewählten Mitgliedern aus allen Diözesen und Verbänden zusammensetzt?
Sie werden am Europäischen Kirchentreffen in Prag teilnehmen. Welche Erwartung knüpfen Sie daran? Stetter-karp:
Die Präsenzsituation bietet eine Möglichkeit zu hören, was andere Ortskirchen in die weltweite Debatte einbringen werden, welche Lösungen sie anstreben. Und wir werden unsere Vorstellungen einbringen.
Söding: Grundlage der Vorbereitungstreffen für die Weltsynode im Herbst war eine weltweite Befragung der Kirchenmitglieder. Diese zeigt, dass die Probleme, mit denen wir uns in Deutschland beschäftigen, Probleme der katholischen Kirche weltweit sind. Die üble Unterstellung, wir würden uns auf einem deutschen Sonderweg bewegen, wurde dadurch widerlegt. Weltweit gibt es den Ruf der Frauen nach Rechten, nach Beteiligung. Auch das Problem des Klerikalismus, der überbordenden Macht der Kleriker, existiert weltweit. Und viele Ortskirchen wünschen sich wie die unsrige eine integrierende Sexualmoral, die Menschen nicht mehr ausschließt.
Welches Signal kann von Prag ausgehen? Stetter-karp:
Ich erwarte ein Zeichen, dass bei der Weltsynode in Rom Frauen beteiligt werden müssen, am besten mit Stimmrecht.
Söding: Das werden sehr viele Männer unterstützen.
Münden soll das in einen weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus initiiert hat. Ist das Vorhaben für Sie noch glaubwürdig? Stetter-karp:
Ich denke, die Frage kann ich nach Prag besser beurteilen. Doch ich nehme Papst Franziskus ab, dass er eine Kirche will, die sich in neuer Weise drängenden Fragen stellt. Dafür gibt es Belege. Allerdings sehe ich auch Kämpfe im Vatikan und das Lavieren des Papstes. Aber der Durchbruch zu einer veränderten Kultur in der Kirche ist von ihm selbst gewollt. Wir stehen in diesem Anliegen an seiner Seite.