Fünf Millionen Euro erbeutet
Nach grenzüberschreitenden Ermittlungen ist eine Bande von Geldautomatensprengern in den Niederlanden aufgeflogen. Von Alfred Wiedemann
Sie kommen nachts im schnellen Auto, sprengen Geldausgabeautomaten ohne jede Rücksicht auf Anwohner, raffen Geld zusammen und rasen davon. Jetzt klickten bei einer Bande aus den Niederlanden die Handschellen. Neun Männer wurden am Montag bei der Durchsuchung von 17 Gebäuden in den Niederlanden und Belgien festgenommen, 25 bis 41 Jahre alt, niederländische, marokkanische, afghanische, türkische und rumänische Staatsangehörige. Vier mutmaßliche Mittäter sind auf der Flucht und werden mit internationalen Haftbefehlen gesucht, wie die Ermittler am Donnerstag in München mitteilten.
Großeinsatz in Roermond
Bei der Aktion am Montag waren neben niederländischen und belgischen Behörden auch Ermittlerinnen und Ermittler aus Bayern und Baden-württemberg im Einsatz, insgesamt waren mehr als 270 Einsatzkräfte und mehrere Staatsanwälte und Richter beteiligt.
Die 13 Verdächtigen konnten die Fahnder der Landeskriminalämter in München und Stuttgart gemeinsam mit den niederländischen Behörden identifizieren. Die Tätergruppe, die ihre Basis in Roermond im Grenzgebiet zu Belgien und Deutschland hatte, soll mehr als 50 Sprengungen in Bayern
und Baden-württemberg verübt haben. Weil sie immer gleich vorgegangen ist, konnten der Bande Taten mit einer Beute von rund 5,2 Millionen Euro und einem Sachschaden von rund 6,5 Millionen Euro zugerechnet werden.
Die Serie hat am 5. November 2021 in Heimertingen im Unterallgäu begonnen. Ein Sparkassengeldautomat wurde mit Festsprengstoff zerstört, um an das Geld zu kommen. Die Täter flüchteten unerkannt in einem dunklen Audi RS6 Avant.
Dann ging es weiter, immer mit dem gleichen Prozedere. 34 Sprengungen in Bayern, von denen 31 erfolgreich waren, konnten der Bande zugeordnet werden, 17 in Baden-württemberg, eine in Thüringen. „Skrupellos, hochprofessionell und schnell“seien die Täter vorgegangen, sagte Bayerns Lka-präsident Harald Pickert am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in München. Letzter Fall der Serie war wieder im Unterallgäu, in Erkheim, am 19. Januar 2023.
Erstmals am 10. November 2021 war die Bande im Südwesten aktiv, in Wolpertshausen im Kreis Schwäbisch Hall. 1,8 Millionen Euro erbeuteten sie insgesamt bei Banken und Sparkassen im Land, rund 2,7 Millionen Euro Schaden richteten sie hier an. „Quer durchs Land“war die Bande unterwegs, sagte Andreas Stenger, Präsident des LKA Baden-württemberg.
Sie schlugen zum Beispiel in Aalen-ebnat zu, in Westhausen, Sindelfingen, Empfingen und Bretzfeld, in Heidelbergrohrbach, Mannheim-feudenheim, in Bondorf, Neuhausen auf den Fildern und in Gerlingen.
Bei den Durchsuchungen am Montag seien Beweismittel und Bargeld sechsstelliger Höhe sichergestellt worden, neun Sprengstoffpakete wurden entdeckt, außerdem Luxusuhren und Markenbekleidung beschlagnahmt.
Die Staatsanwaltschaft Bamberg führte zentral die Ermittlungen, das bayerische Landeskriminalamt richtete eine Ermittlungsgruppe ein, in Baden-württemberg ermittelte die Abteilung organisierte Kriminalität und
Rauschgiftkriminalität des LKA. Ermittelt wurde „im 24/7-Modus“, wie der Bamberger Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb sagte. Die Auslieferung der Verdächtigen sei beantragt, in Bamberg sollen die Männer vor Gericht kommen. Ein Anführer, „Kopf der Bande“, sei noch nicht identifiziert worden.
Versuchter Mord auf der Liste
Weil die Automatensprenger in Gebäuden mit Wohnungen über Bankfilialräumen zugeschlagen haben, wird in einigen Fällen auch wegen versuchten Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Bei einer Sprengung in Essenbach in Bayern seien zwei Bewohner verletzt worden. Die Tätergruppe habe „gefährlich, ja skupellos agiert“, so Lieb. Die Vorwürfe lauten auf schweren Bandendiebstahl, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung eines Bauwerkes in mehreren Fällen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einem „beeindruckenden Ergebnis“der gemeinsamen Ermittlungen. Da die Täter international unterwegs seien, müssten auch die Ermittler grenzüberschreitend arbeiten. Er hoffe auf einen abschreckenden Effekt durch die Festnahmen, auch wenn erfahrungsgemäß die in die Reihen der Täter gerissenen Lücken „sehr rasch aufgefüllt werden“.