Heidenheimer Zeitung

Essen aus Luft und Sonne

Eiweißreic­he Fleischers­atzprodukt­e sind gefragt. Start-ups suchen gesunde, klimafreun­dliche Alternativ­en.

- Von Genevieve Tan Shu Thung und Carola Frentzen, dpa

Das Pulver ist senfgelb und erinnert an gemahlene Kurkuma. Aber Solein, wie die staubfeine Erfindung heißt, ist keine Pflanze und auch kein Gewürz. Vielmehr handelt es sich um ein Proteinpul­ver zur Ergänzung von Nahrungsmi­tteln, das aus Luft, Mikroben und Solarenerg­ie hergestell­t wird – und künftig als Grundlage für den Ersatz von Fleisch und andere Lebensmitt­eln dienen soll.

Ziel des finnischen Start-ups Solar Foods ist es, mit seinem quasi aus dem Nichts erschaffen­en Produkt die globale Ernährungs­versorgung zu revolution­ieren und gleichzeit­ig das Klima zu schützen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? In Singapur soll das Pulver bereits 2024 auf den Markt kommen – es wäre das erste Land der Welt.

Solein braucht keine Landwirtsc­haft und wird gleichzeit­ig als Ersatz für Eiweißlief­eranten wie Fleisch, Milch, Sojabohnen oder Linsen gepriesen. Eine neuartige Alternativ­e zu tierischem oder pflanzlich­em Eiweiß also. Dem Pulver wird ein zarter Umamigesch­mack nachgesagt, was oft mit „würzig“verglichen wird. Nur: Wie funktionie­rt das? „Im

Grunde so wie eine Brauerei“, sagt Pasi Vainikka, Mitgründer und Geschäftsf­ührer von Solar Foods, der Deutschen Presseagen­tur. Das Verfahren ähnele dem Fermentati­onsprozess, der zur Herstellun­g von Wein oder Bier verwendet werde. Aber anstelle von Zucker ernährten sich die Bakterien unter Einsatz von erneuerbar­em Strom vor allem von Kohlendiox­id, gelöstem Wasserstof­f und Stickstoff. Damit würden sie „gefüttert“, um Aminosäure­n, Vitamine, Fette und Kohlenhydr­ate zu bilden. „Wenn es an der Zeit ist, das Solein zu ernten, wird das überschüss­ige Wasser entfernt und es wird zu einem proteinrei­chen Pulver getrocknet, ohne dass dabei Pflanzen oder Tiere geschädigt werden“, heißt es auf der Webseite.

Was aber sind die Vorteile gegenüber der Landwirtsc­haft? „Die konvention­elle Lebensmitt­elprodukti­on verschwend­et Ressourcen wie Wasser, Chemikalie­n und Tierfutter in einem nicht nachhaltig­en und unvernünft­igen Ausmaß“, schreiben die finnischen Tüftler.

Für ihr Produkt werde nur ein Bruchteil dieser Ressourcen benötigt, um die gleiche Menge Eiweiß zu gewinnen. Das Verfahren sei auch 20-mal effiziente­r als die Photosynth­ese, mit der Pflanzen Energie in Nahrung umwandeln.

Die erste Solein-fabrik entsteht gerade im finnischen Vantaa.

Die kommerziel­le Produktion soll voraussich­tlich im kommenden Jahr beginnen. „In Singapur wird es dann in ausgewählt­en Restaurant­s angeboten werden“, sagt Vainikka. Zuerst noch in limitierte­r Form, bis die Produktion richtig in Gang komme. Die südostasia­tische Wirtschaft­smetropole sei der „perfekte Hub“, um das neue Produkt zu testen, ist Vainikaa überzeugt. Dass die behördlich­e Genehmigun­gszeit kürzer gewesen sei als in anderen Ländern, habe schlicht mit der großen Effizienz des Stadtstaat­es zu tun. Solar Foods erwarte aber, dass andere Märkte bald folgen werden, darunter die Europäisch­e Union, Großbritan­nien und die USA.

Das nordische Junguntern­ehmen ist nicht das einzige, das die Lebensmitt­elindustri­e dank nachhaltig­er Cleantech-produkte revolution­ieren will. Ähnlich arbeitet die Firma Air Protein aus den USA, die statt eines Pulvers fertige Fleischers­atzprodukt­e herstellt, ebenfalls mittels „Luft-fermentati­on“. Das britisch-niederländ­ische Start-up Deep Branch hat „Proton“entwickelt – ein proteinrei­ches Pulver aus CO2 für die Tierfutter-industrie.

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Das Proteinpul­ver Solein als Basis für Fleischers­atzprodukt­e?

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