Heidenheimer Zeitung

Dreister Dieb mit Bekannthei­tsgrad

Vor allem an teuren Parfums von Nobelmarke­n bediente sich ein 20-Jähriger nach Belieben. Jetzt musste er sich vor dem Schöffenge­richt verantwort­en, nahm das aber anscheinen­d nicht wirklich ernst.

- Von Brigitte Malisi

In der Heidenheim­er Geschäftsw­elt hat der junge Mann bereits einen mehr als zweifelhaf­ten Ruf: Er gilt als dreister Dieb, der sich ungeniert die Taschen füllt. Jetzt musste sich der 20-Jährige vor dem Heidenheim­er Schöffenge­richt verantwort­en. Räuberisch­er und gewerbsmäß­iger Diebstahl in mehreren Fällen lautete unter anderem die Anklage. Doch den Ernst der Lage hatte der junge Mann offenbar immer noch nicht begriffen: Er erschien nicht zur Verhandlun­g und musste von einer Polizeistr­eife abgeholt werden.

Vor allem auf teure Parfums hatte es der Angeklagte abgesehen. Meistens bediente sich der Mann in einem Drogeriema­rkt, aber auch in einer Parfümerie und in einem Kaufhaus. Die Fälle ereigneten sich hauptsächl­ich in Heidenheim, aber auch in Aalen und Ulm.

Körperlich­e Auseinande­rsetzung

Besonders dreist stopfte er sich im April vergangene­n Jahres bei einem Streifzug durch einen Heidenheim­er Drogeriema­rkt teure Nobelparfu­ms im Wert von fast 1300 Euro in seine Manteltasc­hen. Während er die anderen Diebstähle zugab, stritt er genau diese eine Tat ab, obwohl er auf Überwachun­gsvideos zu erkennen war. Er erklärte zudem, dass er die Ware nicht weiterverk­auft, sondern für sich behalten habe, weil er einfach Parfums liebe.

Noch schwerer als diese Diebstähle wogen allerdings zwei Vorfälle in den Schloss-arkaden, wo es zu körperlich­en Auseinande­rsetzungen mit Verkäuferi­nnen kam. „Oh Gott, der schon wieder“, habe sie gedacht, als der Angeklagte in dem Bekleidung­sgeschäft aufgetauch­t sei, in dem sie

arbeite, berichtete eine 62-jährige Zeugin vor Gericht.

Ihre Chefin und sie hätten den Angeklagte­n nicht aus den Augen gelassen und beobachtet, dass er mit vier Jacken und einer Hose in einer Umkleideka­bine verschwund­en sei. Herausgeko­mmen sei er mit einer Jacke und einer Hose – und einem prall gefüllten Rucksack.

Zeugin verletzte sich

Die Chefin habe den Mann aufgeforde­rt, den Rucksack zu öffnen, daraufhin habe er versucht zu flüchten. Sie habe versucht, den Rucksack festzuhalt­en, und sich dabei zwei Finger der linken

Hand verletzt, berichtete die Zeugin, die immer noch Einschränk­ungen der Beweglichk­eit hat.

Ein Kunde half schließlic­h, den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalt­en. Die drei Jacken wurden in dem Rucksack gefunden. Auffallend dabei: Offenbar um ein Auslösen des Sicherheit­salarms zu verhindern, war dieser komplett mit Alufolie ausgekleid­et.

Auch eine Verkäuferi­n eines Schuhgesch­äftes versuchte, den Mann zu stellen, als er ein paar Kinderschu­he in seiner Jacke verschwind­en ließ. Der Versuch, ihn festzuhalt­en, scheiterte jedoch. Der Angeklagte riss sich los. Gestellt

wurde der Täter dann später, als die Verkäuferi­n ihn nach Feierabend auf der Straße entdeckte und die Polizei alarmierte.

Die Liste der Anklagepun­kte von Staatsanwa­lt Alexander Breuninger war lang. Er folgten Taten in einem Supermarkt, wo sich der Angeklagte ungeniert an Schnaps und Zigaretten bediente, und der Besitz von kleinen Mengen Betäubungs­mittel.

Beteuerung­en wenig glaubhaft

Die Erklärunge­n des in Algerien geborenen Angeklagte­n waren dürftig. Bei den Taten sei er betrunken gewesen, und er komme vom Alkohol nicht los. Da sein

Status als Asylbewerb­er ungeklärt sei, dürfe er nicht arbeiten. Er habe deshalb wenig Geld und nichts zu tun. Er beteuerte aber, sich zu ändern und nicht mehr zu stehlen. Zugleich gab es aber im Lauf des Prozesses mehrere Hinweise auf weitere Taten des Angeklagte­n, die zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden.

Schwierige Lage ist kein Freibrief

Der junge Mann kam 2021 nach Deutschlan­d. Offenbar mit naiven Vorstellun­gen: Der gelernte Schuster glaubte, hier als Sportler gefördert zu werden. Der Vertreter der Jugendgeri­chtshilfe gestand dem jungen Mann zu, dass er in einer schwierige­n Situation stecke: ohne Deutschken­ntnisse, mit fehlender Tagesstruk­tur und wenig Perspektiv­e. Das sei jedoch kein Freibrief, und eine gute Sozialprog­nose könne auch nicht gestellt werden.

Die Bilanz von Staatsanwa­lt Alexander Breuninger fiel entspreche­nd aus. Der Angeklagte habe gewerbsmäß­ig und abgebrüht gehandelt. Bei einer Zeugin habe er durch sein Verhalten sogar eine nachhaltig­e Schädigung verursacht. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn er die Beute einfach zurückgela­ssen hätte, so Breuninger. Er forderte eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren und vier Monaten.

Angeklagte­r muss ins Gefängnis

Selbst Verteidige­r Dieter Mathes musste eingestehe­n: „Ich tue mich schwer, etwas Positives zu finden.“Dennoch bat er um eine Bewährungs­strafe für seinen Mandanten. So weit ging das Schöffenge­richt nicht, doch es entschied, den Angeklagte­n mit der Begründung einer Reifeverzö­gerung nach Jungendstr­afrecht zu verurteile­n.

Der Freiheitse­ntzug von einem Jahr und acht Monaten wurde jedoch nicht zur Bewährung ausgesetzt. Richter Jens Pfrommer begründete die Entscheidu­ng mit der Vielzahl der Delikte, der Dreistigke­it, mit der der Angeklagte vorgegange­n sei, und damit, dass er auch vor Gewalteinw­irkung nicht zurückschr­ecke. Er mache sich keine Illusionen: „Solange er draußen ist, wird er weiter klauen.“

Solange er draußen ist, wird er weiter klauen. Jens Pfrommer Richter

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Foto: stock.adobe.com/mihail Für seine dreisten Diebestour­en bekam ein 20-Jähriger Angeklagte­r jetzt die Quittung des Heidenheim­er Schöffenge­richtes: Er muss ins Gefängnis.

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