Spionageballon vergiftet das Klima zwischen USA und China
Schuld haben immer die anderen: Pekings Reaktion auf den Vorfall mit dem Flugobjekt ist geprägt vom Leugnen und Negieren von Fakten. Die Folgen könnten gravierend sein.
Ganz gleich, wie man es dreht und wendet: Für die chinesische Regierung entwickelt sich die Affäre um den Spionage-ballon zum größten außenpolitischen Eigentor seit langem. Nach außen lässt Peking keinerlei Reue durchschimmern: „Einige amerikanische Politiker und Medien nutzen die Situation nur aus, um China zu verleumden“, hieß es in einer ersten Stellungnahme des Außenministeriums. Der vor dem Us-bundesstaat South Carolina abgeschossene Ballon hat bereits jetzt die Beziehung zwischen den zwei führenden Weltmächten nachhaltig vergiftet.
Fakt ist: Sowohl China als auch die USA spionieren sich auf allen erdenklichen Ebenen gegenseitig aus, und zwar meist mit ausgeklügelteren Mitteln als einem antiquierten Überwachungsballon. Insofern wäre es wohl durchaus möglich gewesen, die Affäre gesichtswahrend für beide Seiten ad acta zu legen – vorausgesetzt, die chinesische Regierung hätte aufrichtig Reue gezeigt und transparent kommuniziert. Stattdessen jedoch wandte sie ihr altbekanntes Muster an: sämtliches Fehlverhalten abstreiten, die Schuld beim Gegenüber suchen und umgehend in den obligatorischen Angriffsmodus wechseln.
Chinas erste Reaktion, bei dem Flugobjekt handele es sich um eine Art meteorologischen Forschungsballon, der wegen Windes von seiner Route abhandengekommen sei, wertete Washington als dreiste Lüge. „Wir wissen, dass es ein Überwachungsballon ist“, entgegnete ein Sprecher des
Pentagon. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Ballon rein zufällig über den dünn besiedelten Bundesstaat Montana flog – ausgerechnet über einen Us-luftwaffenstützpunkt, an dem 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagern. Zudem hatte Washington in den vergangenen Jahren bereits mindestens drei ähnliche Spionagefälle aus China registriert, diese aber nicht öffentlich gemacht.
Doch selbst einfache Fakten hat die chinesische Seite zuletzt ignoriert. Als Us-außenminister Anthony Blinken seinen geplanten China-besuch am Freitag absagte, stritt Peking ab, dass es überhaupt jemals einen „offiziell geplanten Besuch“gegeben habe. Nachdem Us-präsident Joe Biden den Überwachungsballon in der Nacht auf Sonntag abschießen ließ, protestierte die chinesische Regierung erneut lauthals: Man sprach von einer „Überreaktion“und einem „Verstoß gegen internationale Praxis“.
Der nächste Eklat ist bereits zu sehen: Der Republikaner Kevin Mccarthy, Sprecher des Us-repräsentantenhauses, dürfte sich durch den Vorfall ermutigt fühlen, seinen geplanten Taiwan-besuch in die Tat umzusetzen. Als seine Vorgängerin Nancy Pelosi im Sommer Taipeh besuchte, reagierte Peking mit einer simulierten Inselblockade und wüsten Drohungen. Im Wiederholungsfall dürfte Chinas Replik wohl noch eine Spur martialischer ausfallen.