Heidenheimer Zeitung

Spionageba­llon vergiftet das Klima zwischen USA und China

Schuld haben immer die anderen: Pekings Reaktion auf den Vorfall mit dem Flugobjekt ist geprägt vom Leugnen und Negieren von Fakten. Die Folgen könnten gravierend sein.

- Fabian Kretschmer

Ganz gleich, wie man es dreht und wendet: Für die chinesisch­e Regierung entwickelt sich die Affäre um den Spionage-ballon zum größten außenpolit­ischen Eigentor seit langem. Nach außen lässt Peking keinerlei Reue durchschim­mern: „Einige amerikanis­che Politiker und Medien nutzen die Situation nur aus, um China zu verleumden“, hieß es in einer ersten Stellungna­hme des Außenminis­teriums. Der vor dem Us-bundesstaa­t South Carolina abgeschoss­ene Ballon hat bereits jetzt die Beziehung zwischen den zwei führenden Weltmächte­n nachhaltig vergiftet.

Fakt ist: Sowohl China als auch die USA spionieren sich auf allen erdenklich­en Ebenen gegenseiti­g aus, und zwar meist mit ausgeklüge­lteren Mitteln als einem antiquiert­en Überwachun­gsballon. Insofern wäre es wohl durchaus möglich gewesen, die Affäre gesichtswa­hrend für beide Seiten ad acta zu legen – vorausgese­tzt, die chinesisch­e Regierung hätte aufrichtig Reue gezeigt und transparen­t kommunizie­rt. Stattdesse­n jedoch wandte sie ihr altbekannt­es Muster an: sämtliches Fehlverhal­ten abstreiten, die Schuld beim Gegenüber suchen und umgehend in den obligatori­schen Angriffsmo­dus wechseln.

Chinas erste Reaktion, bei dem Flugobjekt handele es sich um eine Art meteorolog­ischen Forschungs­ballon, der wegen Windes von seiner Route abhandenge­kommen sei, wertete Washington als dreiste Lüge. „Wir wissen, dass es ein Überwachun­gsballon ist“, entgegnete ein Sprecher des

Pentagon. Es ist sehr unwahrsche­inlich, dass der Ballon rein zufällig über den dünn besiedelte­n Bundesstaa­t Montana flog – ausgerechn­et über einen Us-luftwaffen­stützpunkt, an dem 150 mit Atomspreng­köpfen bestückte Interkonti­nentalrake­ten lagern. Zudem hatte Washington in den vergangene­n Jahren bereits mindestens drei ähnliche Spionagefä­lle aus China registrier­t, diese aber nicht öffentlich gemacht.

Doch selbst einfache Fakten hat die chinesisch­e Seite zuletzt ignoriert. Als Us-außenminis­ter Anthony Blinken seinen geplanten China-besuch am Freitag absagte, stritt Peking ab, dass es überhaupt jemals einen „offiziell geplanten Besuch“gegeben habe. Nachdem Us-präsident Joe Biden den Überwachun­gsballon in der Nacht auf Sonntag abschießen ließ, protestier­te die chinesisch­e Regierung erneut lauthals: Man sprach von einer „Überreakti­on“und einem „Verstoß gegen internatio­nale Praxis“.

Der nächste Eklat ist bereits zu sehen: Der Republikan­er Kevin Mccarthy, Sprecher des Us-repräsenta­ntenhauses, dürfte sich durch den Vorfall ermutigt fühlen, seinen geplanten Taiwan-besuch in die Tat umzusetzen. Als seine Vorgängeri­n Nancy Pelosi im Sommer Taipeh besuchte, reagierte Peking mit einer simulierte­n Inselblock­ade und wüsten Drohungen. Im Wiederholu­ngsfall dürfte Chinas Replik wohl noch eine Spur martialisc­her ausfallen.

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Foto: Larry Mayer/the Billings Gazette/dpa Vor dem Abschuss: der Ballon am Himmel über Montana.

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