Heidenheimer Zeitung

Wenn Luft zu Kohlenstof­f wird

Um die Klimakrise einzudämme­n, muss CO aus der Atmosphäre geholt werden. 2 Wissenscha­ftler in Karlsruhe tun das und stellen Rohstoffe her.

- Von Marco Krefting, dpa

Schon ein leichter Windhauch reicht, um das schwarze Pulver wegzuwehen. Es ist der Hightechro­hstoff Carbon Black, den Forschende des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) wortwörtli­ch aus Luft hergestell­t haben. Mit einer Apparatur saugen sie klimaschäd­liches CO2 aus der Umgebungsl­uft und stellen daraus Kohlenstof­f her. Carbon Black ist dabei nicht alles, wie Benjamin Dietrich vom Kit-institut für Thermische Verfahrens­technik sagt. Je nach Temperatur und Druck könnten auch Graphit und Graphen hergestell­t werden – in der Industrie begehrte Materialie­n.

Ob Bauindustr­ie oder Farbindust­rie, ob für Solarzelle­n, Touchscree­ns, Lithium-ionen-batterien oder Autoreifen – die Einsatzmög­lichkeiten dieser Produkte sind vielfältig. So betont zum Beispiel der Verband der Mineralfar­benindustr­ie den „exzellente­n“Uv-schutz und die antistatis­che Wirkung von Carbon Black, auch Industrie-ruß genannt. In einer Studie geht das Marktforsc­hungsunter­nehmen Ceresana davon aus, dass die Nachfrage allein nach Carbon Black bis 2030 weltweit auf mehr als 17 Millionen Tonnen pro Jahr wächst.

Dagegen wirkt das halbe Kilogramm Kohlenstof­f, das die Versuchsan­lage am KIT laut Dietrich aus zwei Kilogramm CO2 an einem achtstündi­gen Arbeitstag herstellt, eher mickrig. Doch das Forscherte­am ist erst am Anfang: Mit verschiede­nen Temperatur­en zwischen 900 und 1200 Grad und unterschie­dlich hohem Druck testet es, wie sie die Endprodukt­e beeinfluss­en können.

Das Ganze funktionie­rt in einem mehrstufig­en Verfahren: Mithilfe eines sogenannte­n Adsorbers wird CO2 aus der Luft abgetrennt – das nennt man „Direct Air Capture“. Im zweiten Schritt werden Kohlenstof­f und Sauerstoff über chemische Prozesse getrennt und gehen neue Bindungen ein, das Ergebnis sind Methan und Wasser. Im Methan steckt der Kohlenstof­f, der in einem Reaktor mit flüssigem Zinn abgespalte­n wird. Pyrolyse heißt dieser Verfahrens­schritt.

In dem Necoc genannten Projekt untersucht das Team, wie hoch der Energieauf­wand ist und ob Schadstoff­e als Zwischenpr­odukte entstehen, wie Dietrich erklärt. Teile des anfallende­n Wasserstof­fs wiederum fließen zum Beispiel direkt wieder in die Methanisie­rung. Am Ende macht der Prozess „selbstvers­tändlich nur Sinn“, wenn durch die Herstellun­g der notwendige­n Energie nicht CO2 entsteht, räumt Dietrich ein – wenn also mit erneuerbar­en Energien gearbeitet wird.

So sieht es auch Katja Purr, die das Fachgebiet „Strategien und Szenarien zu Klimaschut­z und Energie“beim Umweltbund­esamt leitet: Wenn erneuerbar­e Energien eingesetzt würden, verspreche der Ansatz „viel Potenzial für die Zukunft“.

Denkbar ist laut Dietrich auch, Emissionen etwa aus der chemischen Industrie mit einer dort standardmä­ßig eingesetzt­en Wäsche

aufzureini­gen und das so herausgefi­lterte CO2 direkt in den zweiten Schritt des Necoc-prozesses, also die Methanisie­rung, zu führen. Das Problem ist, dass zu viel klimaschäd­liches CO2 in der Atmosphäre ist. Kohlendiox­id heizt den Planeten auf. Das bekomme man nur durch die Entnahme von Treibhausg­asen in den Griff, macht Purr deutlich. „Wir brauchen negative Emissionen, daran führt kein Weg vorbei.“

Ein Bericht des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) bescheinig­t der Staatengem­einschaft jüngst enormen Aufholbeda­rf.

Mit neuen Methoden würden aktuell gerade einmal 0,002 Gigatonnen CO2 pro Jahr entnommen. Zur Einordnung: Schätzunge­n zufolge betrug der globale Co2-ausstoß im vergangene­n Jahr 40,6 Gigatonnen.

Dabei gibt es mittlerwei­le mehrere Möglichkei­ten, bei denen CO2 zum Beispiel in riesigen Mengen im Boden gespeicher­t oder gar in Stein umgewandel­t werden soll. „Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass durch die Abscheidun­g von CO2 bei der Verbrennun­g fossiler Brennstoff­e und einer anschließe­nden unterirdis­chen Speicherun­g 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalt­en werden können“, erläutert das Umweltbund­esamt dazu.

Doch die als Carbon Capture and Storage bezeichnet­e Technik ist umstritten. Es komme stark auf den Untergrund an, erklärt Purr. Ein enges Monitoring sei nötig, um zu schauen, dass das CO2 wirklich im Boden bleibt. In Deutschlan­d ist bisher nur die Erforschun­g, Erprobung und Demonstrat­ion solcher Technologi­en erlaubt. Insofern sei das Einspeiche­rn in festen Kohlenstof­f wie bei Necoc gegebenenf­alls auch die sicherere Variante, sagt Purr. „So ein Ansatz ist mir zum ersten Mal untergekom­men.“

Noch aber steckt Necoc in den Kinderschu­hen. Die Versuchsan­lage, die das KIT mit zwei Firmen errichtet hat, ist im Containerm­aßstab aufgebaut. Grundlagen­forschung eben. Auf die Frage, wann sie in größerem Maßstab eingesetzt werden könnte, wagt Dietrich keine Prognose: „Da muss man schon noch einige Schritte machen.“

Wir brauchen negative Emissionen, daran führt kein Weg vorbei. Katja Purr Umweltbund­esamt

 ?? 2 Foto: Uli Deck/dpa ?? Benjamin Dietrich, Geschäftsf­ührer des Instituts für Thermische Verfahrens­technik beim Karlsruher Institut für Technologi­e, zeigt Kohlenstof­f, der mit einer Versuchsan­lage aus CO der Umgebungsl­uft gewonnen wurde.
2 Foto: Uli Deck/dpa Benjamin Dietrich, Geschäftsf­ührer des Instituts für Thermische Verfahrens­technik beim Karlsruher Institut für Technologi­e, zeigt Kohlenstof­f, der mit einer Versuchsan­lage aus CO der Umgebungsl­uft gewonnen wurde.

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