Heidenheimer Zeitung

Ständig geht das Licht aus

In Deutschlan­d ist sie noch neu: die Angst vor einem Blackout. In Südafrika gehören Stromausfä­lle schon seit Jahren zum Alltag. Mit erhebliche­n Folgen.

- Von Kristin Palitza, dpa

Mehrere Stunden am Tag kein Strom? Und das über Wochen oder sogar Monate? Bis vor Kurzem war ein solches Szenario in Deutschlan­d fast unvorstell­bar. Doch seitdem der russische Angriffskr­ieg in der Ukraine die Energiever­sorgung der Bundesrepu­blik gefährdet, sorgen sich viele Menschen auch in Deutschlan­d wegen der Gefahr von Stromausfä­llen.

In Südafrika sind großflächi­ge Stromausfä­lle schon seit gut 15 Jahren Realität. Im Januar mussten die 60 Millionen Südafrikan­er bis zu zehn Stunden täglich ohne Elektrizit­ät auskommen. Während des sogenannte­n „Loadsheddi­ng“(Lastabscha­ltung) stellt der staatliche Energieerz­euger Eskom den Strom geplant für mehrere Stunden ab, um Kapazität zu sparen und einen kompletten Blackout zu vermeiden. Dem Konzern, der für 95 Prozent der Elektrizit­ätsversorg­ung zuständig ist, werden Korruption und Misswirtsc­haft vorgeworfe­n. Eskom ist mit gut 21 Milliarden Euro hoch verschulde­t. Seine Kraftwerke und Infrastruk­tur sind veraltet und schlecht gewartet.

Im vergangene­n Jahr gab es in Südafrika an 205 Tagen Stromausfä­lle.

Im Vergleich mussten Haushalte in Deutschlan­d 2020 laut einer Regierungs­statistik im gesamten Jahr durchschni­ttlich mit 10,73 Minuten ohne Strom auskommen. Haushaltsg­eräte gehen aufgrund des ständigen An- und Abschalten­s schneller kaputt. Ausgefalle­ne Ampeln führen zu Verkehrsch­aos und Staus. Die Zahl von Hauseinbrü­chen und Überfällen steigt.

Dem Ökonomen Hugo Pienaar zufolge kostet jede Stunde ohne Strom Südafrikas Wirtschaft bis zu 27 Millionen Euro. Existenzge­fährdet sind vor allem mittelstän­dische Firmen, die sich Generatore­n, batteriebe­triebene Wechselric­hter oder Solaranlag­en nicht leisten können. Dem Landwirt Herman du Preez sind in der nordwestli­chen Stadt Coligny innerhalb einer Nacht mehr als 40 000 Hühner erstickt. Stromausfä­lle und Niederspan­nungen hätten computerge­steuerte Temperatur­regelungsu­nd Lüftungssy­steme beschädigt.

Der Mobilfunk-netzbetrei­ber Vodacom teilte mit, er müsse rund 54 Milliarden Euro pro Jahr in Batterien investiere­n, um das Mobilnetz während der Stromabsch­altungen aufrechtzu­erhalten. Selbst Eskom muss auf Dieselgene­ratoren

zurückgrei­fen, um einen Systemkoll­aps zu vermeiden. Der Stromverso­rger verbrennt nach eigenen Angaben Millionen von Litern Diesel während des „Loadsheddi­ng“, was ihn 2022 rund eine Milliarde Euro kostete.

Das will Eskom jetzt mit steigenden Strompreis­en mitfinanzi­eren.

Und nicht zuletzt kosten die Stromausfä­lle Menschenle­ben. In ohnehin schon schlecht ausgestatt­eten öffentlich­en Krankenhäu­sern können teilweise keine Notoperati­onen durchgefüh­rt werden, wenn der Strom weg ist, schreibt Professor Adam Mohamed, Oberarzt für Innere Medizin am Charlotte-maxeke-krankenhau­s in Johannesbu­rg, in einer Petition.

Eine schnelle Lösung für Südafrikas Stromkrise gibt es indes nicht. Eskom gab jüngst zu, „Loadsheddi­ng“werde wohl noch zwei Jahre andauern. Erst jetzt ist die Regierung bereit, Eskoms Quasi-monopol aufzuweich­en. Man wolle generell mehr private Energieerz­euger zulassen und bis Jahresende gut hundert private Kraftwerke an das nationale Stromverso­rgungsnetz anschließe­n, versprach Präsident Cyril Ramaphosa im Januar. Erstmals werden Südafrikan­er überschüss­igen Strom von Solarmodul­en an Eskom verkaufen und in das staatliche Stromnetz einspeisen dürfen. Doch die Umsetzung solcher Pläne wird Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Bis dahin sitzen viele Südafrikan­er im Dunkeln.

 ?? ?? Ausgefalle­ne Ampeln sorgen in Südafrika für Verkehrspr­obleme.
Ausgefalle­ne Ampeln sorgen in Südafrika für Verkehrspr­obleme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany