Heidenheimer Zeitung

Elterntaxi­s: Eher Gefahr als Gefallen

Weil jeden Tag etliche Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren, wird es an den Straßen davor chaotisch und vor allem gefährlich. Die Stadtverwa­ltung fordert ein Umdenken, die Schulen schließen sich an.

- Von Nadine Rau

Tag für Tag fahren viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule. Die Folge ist, das erklärt die Stadt in einer Pressemitt­eilung, dass sich die Situation am Schulcampu­s in Giengen teilweise chaotisch gestaltet. „Die vielen Fahrzeuge gefährden Kinder und Jugendlich­e, die zu Fuß unterwegs sind. Ständige Kontrollen sind unumgängli­ch, können dem Treiben aber kaum Einhalt gebieten. Selbst Verwarnung­sgelder schrecken die Eltern nicht ab“, heißt es weiter. Außerdem: „Erboste Mütter und Väter schreiben an die Stadtverwa­ltung, weil sie selbst mit dem Fahrzeug nicht nahe genug ans Gelände kommen.“

Für Oberbürger­meister Dieter Henle waren solche Schreiben jetzt Anlass, das Thema öffentlich anzusprech­en: „Tatsächlic­h würden wir uns wünschen, dass Kinder nur in Ausnahmefä­llen zur Schule gefahren werden. Dann hätten wir das ganze Problem nicht“, kommentier­te er die unerfreuli­che Situation gegenüber einer Briefschre­iberin, die die Lage ganz ähnlich einschätzt wie er und sich über übervorsor­gliche Eltern beklagt hatte, die ihre Kinder am liebsten „ins Klassenzim­mer“fahren würden. Die Stadtverwa­ltung dagegen sieht das Problem eher darin, dass die Eltern überhaupt meinen, ihre Kinder fahren zu müssen.

„Kiss-and-go-zone“?

Philipp Gyaja, stellvertr­etender Schulleite­r des Margarete-steiffgymn­asiums, weiß um die Problemati­k – auch wenn er morgens bereits am Rechner über den Vertretung­splänen brütet, wenn die meisten Schülerinn­en und Schüler ankommen. „Seit ein paar Jahren versuchen wir zu Schuljahre­sbeginn, die Eltern darauf aufmerksam zu machen“, erklärt Gyaja. Konkret bitten sie die Eltern

darum, die von der Schule so genannte „Kiss-and-go-zone“von der Beethovens­traße direkt vor dem Schuleinga­ng auf den Realschulp­arkplatz hinter der Schule zu verlagern.

„In manchen Fällen müssen Eltern ihre Kinder fahren, dann sollen sie sie aber nicht mitten an der Straße aussteigen lassen“, so Gyaja, der ergänzt: „Ich stimme OB Henle hier voll zu. Dieses kurze Anhalten, Weiterfahr­en und zum Teil Harakiri-umdrehen ist gefährlich.“Teilweise würde dadurch auch die Busspur blockiert. Mit ihrem Konzept der „Kiss-andgo-zone“

erhoffen sich die Verantwort­lichen der Schule, dass Eltern die Empfehlung auch wirklich lesen und beherzigen.

Fahrrad eine gute Alternativ­e

In vielen Fällen aber muss es wirklich nicht das Auto sein. Viele vernünftig­e Gründe sprechen der Stadt zufolge dafür, Kinder morgens zu Fuß zur Schule gehen zu lassen. Auch das Fahrrad sei, sofern die Fahrradprü­fung abgelegt wurde, eine gute Alternativ­e. „Die Kinder haben frische Luft, können sich mental auf den Schultag vorbereite­n, treffen Kameraden

und Kameradinn­en auf dem Weg und lernen, Verantwort­ung für sich und für andere zu übernehmen.“

Die Wege seien in aller Regel beleuchtet, also funktionie­re das auch im Winter. Zudem lernten die Kinder damit gleichzeit­ig, dass man aus Überzeugun­g nicht überall mit dem Auto hinfährt – ein vor dem Hintergrun­d der Umweltsitu­ation, den Energiepre­isen und der Mobilitäts­wende entscheide­nder Punkt.

Michaela Muhsal, Schulleite­rin der Lina-hähnle-schule, erinnert sich noch gut an ihre eigene

Schulzeit. „Das Laufen dorthin war eigentlich immer das Tollste“, sagt sie. Auch sie würde sich wünschen, dass weniger Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. „Die Kinder macht es auch stolz, wenn sie selbst hinlaufen.“

Elterntaxi immer wieder Thema

Immer wieder, so erklärt Muhsal, seien die Elterntaxi­s auch Thema im Gespräch mit den Eltern oder im Elternbeir­at. „Es ist viel los zu den Bring- und Holzeiten, manchmal wird auch in zweiter Reihe geparkt. Das ist unübersich­tlich und die Kinder sind teilweise noch nicht mal so groß, dass sie über so ein Auto drüberscha­uen können“, schildert Muhsal.

Daher bittet auch sie die Eltern, das Auto stehen zu lassen. Sowohl an der Friedrich-listStraße als auch an der Außenstell­e an der Bergschule gebe es das Problem.

„An der Bergschule ist es in der Einbahnstr­aße sehr eng“, sagt sie. Für den Standort an der Friedrich-list-straße wäre sie froh über einen größeren Parkplatz.

Wertvolle Zeit zum Austausch

Und wie ist die Lage an der Bühlund der Jakob-herbrandt-schule? Nicole Arndt, Schulleite­rin der Bühlschule und kommissari­sche Schulleite­rin der Jakob-herbrandt-schule, erklärt: „Auch wir sehen die Situation beim Abgeben und Abholen sehr kritisch. Es entstehen an beiden Schulen sehr gefährlich­e Situatione­n. Wir versuchen in Elterngesp­rächen und in Klassenpfl­egschaftss­itzungen, die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder nicht mit dem Auto zu bringen.“

Für Kinder sei der Weg zur Schule und zurück in Begleitung von Schulfreun­den eine wertvolle Zeit, um sich auszutausc­hen, und ein wichtiger Schritt, um selbststän­dig zu werden. „Das wird häufig unterschät­zt“, so Arndt.

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Foto: Marc Hosinner Wie hier an der Bergschule gestern um die Mittagszei­t herrscht auch an anderen Schulen im Stadtgebie­t reger Verkehr, wenn die Kinder nach dem Schultag per Auto abgeholt werden.

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