Jodler mit Wehmut
Der Kabarettist Josef Brustmann präsentierte sein Programm „In aller Pracht und Herrlichkeit“in der Arche.
Das einzige, das aus dem Weltall auf der Erde erkannt werden kann, sind die Chinesische Mauer und die große Menschenarche in Dischingen. Das meint jedenfalls Kabarettist Josef Brustmann, und er kann sicherlich die Größe dieser Kultureinrichtung beurteilen. Schließlich ist er schon mehrfach dort aufgetreten. Am Sonntagabend war es wieder einmal so weit: Josef Brustmann präsentierte in der Arche Dischingen sein Programm „In aller Pracht und Herrlichkeit“.
Und wenn man aus dem Weltall weit genug in die Arche gezoomt hätte, dann hätte sich dem Betrachter wie auch den rund 70 Zuschauern in der Arche ein vielschichtiges Programm gezeigt. Es war traurig, es war nachdenklich, genauso aber von heiterer Gemütsruhe, und es war sehr musikalisch.
Wie aus dem bayrischen Urwald
Da gab es aberwitzige Jodler aus dem bayerischen Urwald, wie ihn ein Mapuche-indianer darbieten würde. Es gab gesungene Gesundheitstipps, es gab das gesungene Bayern-abc von A wie Alm bis Z wie Zenzi. Es gab das auf der Zither dargereichte „Highway to hell“von AC/DC und – ebenfalls auf der Zither gespielt – ein zum Dahinschmelzen schönes „Sound of Silence“. Es gab aber auch „Lili Marleen“, und da war die Stimmung dann schon sehr nachdenklich geworden. Denn zuvor hatte Josef Brustmann aus seinem während des Corona-lockdowns –
„mir war fad“– begonnenen Buch über seine Kindheit und Jugend gelesen, in der dem 1954 Geborenen der Zweite Weltkrieg und das Dritte Reich noch immer präsent war, eine Präsenz, die sich durch viele Gedanken zeigt, die unausgesprochen bleiben: Keine Fragen an die Eltern, keine Anklage der vorhergehenden Generation, keine Diskussion der eigenen pazifistischen Haltung. Nachdenklich machte auch das Resümee über Aus- und Einwanderung: „Es war doch immer ein Kommen und Gehen, immer ein Hin und Her.“
Und auch die Geschichte seines Heimatorts Waldram, Stadtteil von Wolfratshausen, konnte nicht leichtfertig abgehakt werden. Der wurde nämlich 1939 unter dem Namen „Föhrenwald“als Lager für Zwangsarbeiter der nahestehenden Rüstungsbetriebe errichtet – die Schilderung der Lebensbedingungen für die Bewohner konnte niemanden kalt lassen.
Dialekt mit Unterton
Und auch der bayerische Dialekt, der ja sonst gern so schneidig und forsch daher kommt, hatte hier ei
nen ganz eigentümlichen, fast wehmütigen Unterton, wenn Brustmann seine Erinnerungen an Nachbarn und deren Scharmützel, Freunde aus der Kindheit mit sorglosem Spiel an der Isar, an seine erste Liebe und auch die zweite auspackte. Allesamt waren sie immer mit einer Pointe verbunden, die es allerdings nicht immer schaffte, die Nostalgie und stellenweise auch Melancholie zu überdecken. Und Stichwort Wolfratshausen: Natürlich hatten auch die dort ansässigen Politiker ihren Platz im Programm, ist doch die Stadt nach Meinung Brustmanns das „Mausoleum gescheiterter Kanzlerkandidaten“. Ja, sogar Franz Josef Strauß war noch im Repertoire, und die Spötteleien über ihn waren wie so manch anderer Gag nicht mehr ganz taufrisch.
Tiernahrung und Babynahrung
Aber es gab eben auch Erkenntnisse wie „Freiheit ist zur Freizeit zusammengeschrumpft“und die Betrachtungen über Regale mit Tiernahrung, die mehr Platz einnehmen als diejenigen für Babynahrung. Freilich waren auch die eher geeignet, ins Grübeln zu versetzen als Lachausbrüche zu entlocken. Nein, große Brüller hatte Josef Brustmann nicht auf Lager, dafür aber einiges, das es verdiente, nicht durch schnelle Pointen vertrieben zu werden, sondern vielmehr noch bedacht werden konnte, wenn Kuhglocken und das Reisealphorn erklangen. Freilich hätte man sich diesen Bedacht auch beim Aneinanderreihen der vielen Schichten des Programms gewünscht. Denn das schien schon ein bisschen willkürlich zusammengestellt. Das Publikum nahm’s gelassen und mit der gleichen heiteren Gemütsruhe auf, wie es auch von Brustmann serviert wurde. So war es dann ein Abend, der munter dahinplätscherte, keine großen Aufreger produzierte und die Seelenruhe nicht störte – es sei denn, man wolle doch über das eine oder andere nochmals nachdenken.