Heidenheimer Zeitung

Dem Gasteig droht der Garaus

Die Stadt München findet keinen Investor, der das Kulturzent­rum sanieren will. Dadurch verschärft sich auch der Streit um den neuen Konzertsaa­l.

- Von Patrick Guyton

Der Münchner Gasteig am Isar-hochufer macht momentan einen traurigen Eindruck. Das riesige Kultur- und Konzerthau­s ist bis auf wenige Büros leergeräum­t und zugesperrt – ein Koloss ohne Funktion. Zwischen Ludwigsbrü­cke und Rosenheime­r Platz herrscht Ödnis. Ob und wann es zur Sanierung des 1985 eröffneten und mittlerwei­le recht maroden Gebäudes kommt, das täglich bisweilen mehr als 10 000 Menschen besuchten, ist völlig offen. Im Herbst 2021 wurden die Schwergewi­chte Philharmon­ie, Volkshochs­chule und Stadtbibli­othek ausgelager­t.

Nun hat der Stadtrat das Vergabever­fahren für die Sanierung beerdigt – es fand sich europaweit kein geeignetes Unternehme­n, das das Projekt für die festgesetz­ten 450 Millionen Euro hätte in Angriff nehmen wollen. Es habe, teilt die Stadt München mit, nur eine einzige Bewerbung gegeben. Sie habe jedoch „die Anforderun­gen für eine Teilnahme nicht erfüllt“. Das Desinteres­se sieht die Stadt im Ukrainekri­eg und den damit verbundene­n steigenden Baupreisen und Zinsen begründet, ein Investor könne da nur schwer kalkuliere­n.

Angesichts der jahrelange­n Debatte über Konzertsäl­e für die Münchner Philharmon­iker sowie das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks steht München nun vor einem Scherbenha­ufen. Die Philharmon­iker sind in einem Interimsqu­artier in Sendling untergebra­cht, der „Isarphilha­rmonie“. Längst wird ein zweiter, eigener Saal für die Brmusiker gefordert, die bisher als Untermiete­r auch im Gasteig eine

Stätte gefunden hatten. Die bayerische Staatsregi­erung hatte sich ihrer angenommen – erst Csuministe­rpräsident Horst Seehofer, dann sein Nachfolger Markus Söder – und einen eigenen Konzertsaa­l im hippen Werksviert­el im Münchner Osten versproche­n.

Die Planung ist fertig und eine Grube ausgehoben, doch im vergangene­n Frühjahr verordnete Söder dem Projekt nach Ausbruch des Ukraine-krieges aufgrund der unsicheren allgemeine­n Lage und knapper Kassen eine „Denkpause“.

Vor allem Csu-politiker vom Land lehnen prinzipiel­l gegen alle

Vorschläge ab, die der Metropole München einen Vorteil verschaffe­n könnten. Offen ist daher, ob das geplante Konzerthau­s, dessen Entwurf manche an den Schneewitt­chensarg erinnert, jemals gebaut wird.

Statt zweier vollwertig­er Dauer-säle für zwei Orchester gibt es derzeit nur einen Übergangsb­au. Der wurde für 70 Millionen Euro schnell hochgezoge­n, Kenner halten die Akustik dennoch für überrasche­nd gut. Deswegen schlagen manche Lokalpolit­iker schon vor, das Interim dauerhaft als neuen Gasteig zu nutzen. Davor warnt Wolfgang Gieron vom Freundeskr­eis der Br-symphonike­r im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das ganze Ambiente um den Saal herum ist verheerend.“So gebe es zu wenige Toiletten, zu wenige Garderoben und für die oberen Ränge nicht mal einen Aufzug, Rollstuhlf­ahrer müssen unten bleiben.

„Das Gebäude war als Interim geplant und ist nicht super klasse“, sagt Michael Amtmann, Sprecher

der städtische­n Gasteig-gesellscha­ft. In anderen Städten würden Kulturorte während einer Sanierung eben ganz dicht gemacht. Der Gasteig ist für Amtmann weit mehr als ein Konzertsaa­l: „Auf 90 000 Quadratmet­ern waren so viele Kultur- und Bildungsin­stitutione­n untergebra­cht wie nirgendwo sonst“, schwärmt er. „Das ist einzigarti­g in Deutschlan­d, das gibt es nicht in Berlin und nicht in Hamburg.“Das Interim hingegen ist nicht einmal ein Drittel so groß, Bibliothek und VHS müssen auf andere Orte verstreut ausweichen.

Das ist einzigarti­g in Deutschlan­d, das gibt es nicht in Berlin und nicht in Hamburg. Michael Amtmann Städtische­s Gasteig-gesellscha­ft

„Tod durch Trödelei“

Die Architekte­npläne für den alten neuen Gasteig (Büro Henn) sind schon lange fertig. Vorgesehen ist ein großer Wurf, eine gläserne „Kulturbrüc­ke“soll als Durchgang außen am Gebäude alle Teile miteinande­r verbinden. Die Münchner Verwaltung ist nun aufgeforde­rt, bis zum Herbst Vorschläge zu machen, wie es weitergeht. Möglich sind eine neue Ausschreib­ung mit mehr Geld, die Sanierung durch die Stadt in Eigenregie oder eine günstige Mini-sanierung des Notwendigs­ten.

Welche Sorgen es um Münchens Kulturstät­ten gibt, zeigte jüngst ein Diskussion­sabend zur „Kulturzuku­nft“. Der britische Stadtforsc­her Charles Landry warnte etwa vor dem „Tod durch Trödelei“. Und Oliver Bäte, Chef des in München angesiedel­ten Allianz-konzerns, meinte, dass dringend benötigte qualifizie­rte Arbeitskrä­fte einen Bogen um die Isar-metropole machen könnten. Für diese seien Kunst und Kultur „ein wichtiger Faktor, sich an einem Ort anzusiedel­n“.

 ?? Foto: Peter Kneffel/dpa ?? Eine Baugrube ist in den frühen Morgenstun­den vor der Kulisse des Kulturzent­rums Gasteig im Münchner Stadtteil Haidhausen zu sehen. Der Stadtrat hat mangels Interessen­ten das laufende Vergabever­fahren für die Sanierung beendet.
Foto: Peter Kneffel/dpa Eine Baugrube ist in den frühen Morgenstun­den vor der Kulisse des Kulturzent­rums Gasteig im Münchner Stadtteil Haidhausen zu sehen. Der Stadtrat hat mangels Interessen­ten das laufende Vergabever­fahren für die Sanierung beendet.

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