Wiederwahl vor Augen
Eigentlich braucht Us-präsident Joe Biden gar nicht mehr offiziell anzukündigen, dass er sich 2024 um eine zweite, vierjährige Amtsperiode bewerben wird, denn der Wahlkampf wirft schon seine Schatten voraus. Die traditionsreiche „State of the Union“-rede war nichts anderes als ein Lobgesang auf die eigenen zwei Jahre im Amt. Der Sieg über die Corona-pandemie, der starke Arbeitsmarkt, die deutlich nachlassende Inflation und milliardenschwere Investitionen in die heimische Industrie. Das Eigenlob ist Bestandteil jedes dieser jährlich wiederkehrenden Rituale und steht Biden umso mehr zu, als es fundiert ist und er ununterbrochen im Kreuzfeuer völlig unsachlicher, aggressiver republikanischer Angriffe steht.
Gleichwohl fiel beim Zuhören deutlich auf, dass bei dem so außenpolitisch erfahrenen Staatsmann wie Biden
geopolitische Krisenherde kaum zum Zuge kamen. Er geißelte zwar Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dessen Angriff auf den autonomen Nachbarstaat Ukraine. Auch nahm der Präsident kein Blatt vor den Mund, als es darum ging, Chinas Streben nach globaler Dominanz beim Namen zu nennen und auf die Us-gegenoffensive hinzuweisen – durch Investitionen und durch Bündnisse mit Europa sowie anderen Partnern.
Biden widmete diesen geopolitischen Krisenherden in einer weit über einstündigen Rede aber nur ein paar Minuten.
Das sind Prioritäten, die in Europa verwundern und enttäuschen mögen. Sie zeigen aber zugleich, dass jeder amerikanische Präsident sich selbst am nächsten steht, und dem amtierenden geht es nun mal darum, im November kommenden Jahres wiedergewählt zu werden.