Einfach und gerecht
Mit jährlich mehr als 100 Milliarden Euro unterstützt der Staat Familien, darunter auch viele mit keinem oder geringem Einkommen. Doch nach welchen Kriterien die Sozialleistungen verteilt werden, ist schwer zu durchschauen und hängt oft vom Zufall beziehungsweise vom Geschick der Antragsteller ab. Je nach Problemlage bekommen manche bedürftige Eltern Bürgergeld, andere Kindergeld, ein bestimmter Kreis hat auch Anspruch auf Wohngeld und/oder Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Richtig kompliziert wird es beim Kinderzuschlag, der speziell für Geringverdiener gedacht ist: Nur ein Drittel der eigentlich Berechtigten nimmt diese Leistung in Anspruch – weil das Antragsverfahren zu kompliziert ist und zudem alle sechs Monate wiederholt werden muss.
Wird mit der von der Ampel geplanten Kindergrundsicherung nun alles besser? Das Ziel klingt jedenfalls gut: Die neue Sozialleistung soll trotz ihres bürokratisch klingenden Namens ähnlich einfach an die Familien ausgezahlt werden wie das jetzige Kindergeld, das in Form eines „Garantiebetrags“für Mittel- und Gutverdienende erhalten bleibt.
Über manches Detail, wie dieses kleine Wunder an Entbürokratisierung vollbracht werden soll, hüllt sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zwar noch in Schweigen. Immerhin aber steht fest, dass künftig digital erfasst werden soll, wie hoch der jeweilige Anspruch auf Kindergrundsicherung ist, und dass das Geld dann automatisch an den betreffenden Personenkreis ausgezahlt wird. Weniger gut ist, dass es mit der Reform derzeit nicht vorangeht; offenbar ist die technische Umsetzung schwieriger als gedacht.
Dass die Reform der Leistungen für Familien derzeit stockt, hat jedoch noch einen weiteren Grund: Die Koalitionspartner streiten darüber, wie hoch die Kindergrundsicherung am Ende maximal ausfallen soll. Paus‘ Kabinettskollege, Fdp-finanzminister Christian Lindner, hat schon mal vorsorglich darauf hingewiesen, dass sich das Reformvorhaben „in den Haushalt einarbeiten lassen“müsse. Sollte die Familienministerin darauf bestehen, die 500 Euro plus x aus dem Grünenwahlprogramm durchzusetzen – was den Staat gut und gerne einen zusätzlichen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr kosten würde –, droht also Ärger.
Derzeit werden manche Leistungen nur von einem Drittel der Berechtigten in Anspruch genommen.
Die Wahl der maximalen Höhe der Kindergrundsicherung ist aber auch deshalb eine heikle Angelegenheit, weil ein zu hoher Betrag Fehlanreize setzen könnte. Läge er nämlich zum Beispiel in Richtung der von Verbänden geforderten 600 Euro und mehr pro Kind, kämen Summen zustande, die die Einkünfte mancher Erwerbstätiger übertreffen. Das kann aber nicht gewollt sein.
Beide Probleme – Digitalisierung und Geld – erscheinen bei gutem Willen der Beteiligten lösbar. Ein deutlich strafferes Tempo täte der Sache aber gut. Denn kommt die bürgerfreundliche Kindergrundsicherung zeitnah, wäre die selbsternannte Fortschrittskoalition endlich einmal ihrem Namen gerecht geworden.