Heidenheimer Zeitung

Täter setzen auf Schock der Opfer

Die Masche, mit manipulier­ten Anrufen Menschen zu erpressen, greift um sich. Die Zahl der Fälle steigt deutlich.

- Dpa

Der Anruf muss der 58-Jährigen durch Mark und Bein gegangen sein. Die Stimme am anderen Ende der Leitung erzählt von der Tochter der Frau aus Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn). Diese habe ein Kind überfahren, auch ein angebliche­r Staatsanwa­lt ist am Apparat, ein vorgeblich­er Verteidige­r wird ebenfalls zugeschalt­et. Der Tochter drohten Jahre hinter Gittern, heißt es, wenn nicht schnell eine Viertelmil­lion Euro als Kaution überwiesen werde. Die Frau erkennt die Betrugsmas­che und dreht den Spieß um: Sie informiert die Polizei, die schlägt bei der vermeintli­chen Geldüberga­be in Heilbronn zu.

Eine 33-jährige staatenlos­e Mutter zweier Kinder wurde am Mittwoch vom dortigen Amtsgerich­t wegen versuchten bandenmäßi­gen Betrugs zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Sie war bereits 2021 wegen einer ähnlichen Tat in Köln zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig.

Die Zahl der in Baden-württember­g bekannt gewordenen „Schockanru­fe“ist innerhalb von fünf Jahren von 17 auf 2157 Fälle im Jahr 2021 hochgeschn­ellt. Für 2022 zeichne sich ein weiterer Anstieg der „betrügeris­chen Anrufstraf­taten“ab, teilt das badenwürtt­embergisch­e Innenminis­terium mit. Die Dunkelziff­er ist Experten zufolge hoch, da viele Opfer keine Anzeige erstatten.

Organisier­te Banden machen riesige Beute.

Bei einem „Schockanru­f “rechnen Betrüger skrupellos mit dem Schrecken erschütter­ter Opfer. Die Kriminelle­n täuschen als angebliche Kinder, Enkel, Polizeibea­mte oder Rechtsanwä­lte eine Notlage Angehörige­r vor. Mit manipulati­ver Gesprächsf­ührung, Drohszenar­ien und Zeitdruck treiben sie ihre Opfer massiv in die Enge. Die Täter versuchen auf diese Weise, die Angerufene­n zur Herausgabe von Bargeld, Münzen oder Schmuck zu nötigen. Bisweilen werden Geld oder Wertgegens­tände direkt an der Haustüre des Betroffene­n abgeholt.

Die überaus meisten Schockanru­fe kommen aus dem Ausland, fast immer trifft es ältere Menschen. Die organisier­ten Banden machen dabei Beute zum Teil im sechsstell­igen Bereich – so mancher Senior händigt angesichts des Schreckens den Tätern seine gesamten Ersparniss­e aus: Geld, Schmuck, sogar Goldbarren. Im Jahr 2021 erbeuteten die Täter mit dieser Masche laut Innenminis­terium allein in Baden-württember­g insgesamt rund 15,2 Millionen Euro (2020: 14,4 Millionen). Die meisten Anrufe (rund 96 Prozent) bleiben erfolglos.

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