Heidenheimer Zeitung

Liebe Altersfrei­gabe,

- Thomas Jentscher

Du bist seit Langem ein Hemmnis auf dem Weg zum Kinobesuch. Irgendwann kamen die Wächter von Sitte und Moral zu der Erkenntnis, dass die Betrachtun­g eines filmischen Werkes anscheinen­d gewisser Regelungen bedarf, so entstanden der Hays Code in den USA oder die Freiwillig­e Selbstkont­rolle der Filmwirtsc­haft in Deutschlan­d. Diese FSK versieht die Filme mit mehr oder minder streng befolgten „ab soundso viel Jahren-stempeln“.

Der Verfasser dieser Zeilen erlebte Zeiten, in denen heutzutage im normalen Fernsehpro­gramm laufende Filme wie „Der weiße Hai“oder „Ein Mann sieht rot“im Kino konsequent erst ab 18 Jahren geschaut werden durften. Und das wurde damals streng eingehalte­n. Das Internet war noch Zukunftsvi­sion und so blieb nur der sehnsüchti­ge Blick auf die ausgedruck­ten Bilder im Schaukaste­n der Lichtspiel­häuser.

Später knickte die FSK dann angesichts der mit großem Aufwand gedrehten Blockbuste­r etwas ein und ließ so manch schaurige Riesenspin­ne in Harry Potter zunächst auch „ab 6 Jahren“über die Leinwand krabbeln.

Nun kam kürzlich mit Babylon ein vielverspr­echender und gut besprochen­er Film über die 1920er-jahre ins Kino und der genannte Schreiber freute sich schon auf ein Epos über diese derzeit so oft beleuchtet­e und ja in der Tat hochintere­ssante Epoche – wenn auch zur Abwechslun­g mal in Sachen Hollywood statt Weimarer Republik. Der Titelzusat­z „im Rausch der Ekstase“irritiert zwar etwas, aber egal, da ist doch mal wieder ein Kinobesuch angesagt.

Doch, oh Schreck, ein Blick in die Annonce zeigt: Dieser Film ist erst ab 116 Jahren!

Mal abgesehen davon, dass dies den Kundenkrei­s doch erheblich einschränk­t, warum um alles in der Welt, sollte man so alt sein, um Babylon anschauen zu dürfen? Die Antwort liegt auf der Hand: Man muss diese Zeit selbst miterlebt haben, um die filmische Würdigung wirklich genießen zu können. Da hast Du doch recht, liebe Altersfrei­gabe. Wir freuen uns schon auf den nächsten Film übers alte Rom. Ganz nach der Devise: Ich schau das ja eh nicht.

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