Das verflixte siebte Jahr
Cdu-landeschef Thomas Strobl gilt als Entdecker von Manuel Hagel, dem jetzigen Cdu-fraktionschef. Wie harmonisch ist das Verhältnis, seitdem sich Hagel anschickt, Strobl den Rang abzulaufen?
In der Wimsener Mühle drängen sich Narren aus ganz Oberschwaben. Das Bier fließt, die Kapelle spielt „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, die Stimmung ist ausgelassen. Zwei Jahre lang war die fünfte Jahreszeit den Corona-bedingungen zum Opfer gefallen, nun regiert wieder der Frohsinn.
Vor dem historischen Gebäude auf der schwäbischen Alb wartet an diesem nasskalten Sonntagnachmittag im Januar CDU-LANDtagsfraktionschef Manual Hagel (34) mit Präsidenten oberschwäbischer Narrenzünfte auf den diesjährigen Träger des Fasnetspreises „Goldene Saubloder“. Als eine Daimler-limousine vorfährt und der Innenminister und CDULandeschef Thomas Strobl (62) aussteigt, ruft ein Präsident Hagel zu: „Da kommt dein Chef.“Der korrigiert sogleich: „Das ist nicht mein Chef.“
Nach der Landtagswahl 2016 hatte Strobl den damals erst 27-jährigen Parlamentsneuling überraschend zum neuen Generalsekretär der Südwest-cdu ernannt und damit Hagels politischer Karriere den entscheidenden Anstoß gegeben. Als Landesvorsitzender war Strobl Hagels Chef. Heute ist der Jüngere als Cdu-fraktionschef nicht nur Stütze der Regierung, sondern auch deren Kontrolleur und darf schon formal Augenhöhe mit dem Innenminister beanspruchen. Intern wird Hagel bedrängt, als Zwischenschritt zu einer Spitzenkandidatur 2026 schon in diesem Herbst Strobl als Cdu-landeschef abzulösen. Die Chefrolle wäre im siebten Jahr ihrer engen politischen Zusammenarbeit für alle deutlich sichtbar neu besetzt.
Die Frage ist, ob Hagel das will und ob Strobl mitspielen würde.
In Wimsen müssen Strobl als Preisträger und Hagel als Laudator nach den Regeln der Narren spielen, die die Freiheit haben, dem Gegenüber augenzwinkernd den Spiegel vorzuhalten. Aber es ist ein Vertreter der Narrenzünfte, der die von der CDU tabuisierte Personalfrage mit der Begrüßung des Laudators offensiv angeht: „Manuel Hagel braucht man in unserem Landstrich nicht groß vorzustellen. Wir hoffen und glauben, und da spreche ich für viele, dass du Ministerpräsident wirst.“
Die Rolle des Cdu-hoffnungsträgers wird Hagel immer öfter zugeschrieben. Altvordere in der Partei raten ihm, diese Karte offensiv zu spielen. Aber der 34-jährige Kirchgänger weiß, dass zwischen „Hosianna und Kreuzigt ihn“nur wenige Tage liegen können; dass der Umgang der Südwest-cdu mit einstigen Hoffnungsträgern, die die Erwartungen der Partei nicht erfüllt haben
– von Stefan Mappus über Guido Wolf bis Susanne Eisenmann – ziemlich unterkühlt ausfallen kann. Als Fraktionschef will Hagel am Tag X, wenn es um die Spitzenkandidatur geht, zugreifen können, aber nicht müssen. Enge Weggefährten fragen sich indes, ob er diese Wahl überhaupt noch hat. Fraktionäre, Jüngere in Partei, aber auch Ortsvorsitzende reden auf ihn ein, er soll die CDU in die Landtagswahl 2026 führen – und sich dafür die beste Ausgangsvoraussetzung zu schaffen. Für die einen heißt das: auch den Landesvorsitz zu übernehmen. Für andere: das Amt des Innenministers und des Vize-ministerpräsidenten, der Sichtbarkeit und Steigerung der Bekanntheit wegen.
Beide Vorschläge haben eins gemeinsam: Sie zielen auf Posten, die Strobl besetzt.
Hagel, Trachtenjanker, schwäbischer Zungenschlag, verteidigt Strobl vor den Narren gegen Rücktrittsforderungen der Opposition, lobt dessen Verdienste für
die Innenpolitik, spricht launig aber auch vom „verflixten siebten Jahr unserer Beziehung“. Als roter Faden zieht sich durch die Rede die Charakterisierung seines Entdeckers als Politiker, der oft „Haue und Schläge“einstecken musste, aber „nach jedem Tiefschlag wieder aufgestanden ist“. Strobl, der zum dunklen Anzug als Reminiszenz an die Fasnet ein rotes Halstuch trägt, reagiert schlagfertig in Reimform: „Für mich war’s ein Vergnügen – mal abgesehen von der Laudatio, da müsst‘ ich lügen.“
2022 war sein annus horribilis, persönlich hatte er schwer mit einer verschleppten Corona-infektion zu kämpfen, politisch mit Rücktrittsforderungen und einem Untersuchungsausschuss. Einem Kritiker, der ihn schon im politischen Aus gesehen hatte, hat er zu Weihnachten in Anlehnung an Mark Twain geschrieben: „Die Nachricht von meinem Tod war wieder einmal stark übertrieben.“Sein Lebenslauf lehrt, dass man Strobl nicht vorschnell abschreiben
sollte. 2016 musste er die Spitzenkandidatur Wolf überlassen, 2021 Eisenmann. Ersterer ist nun Hinterbänkler im Landtag, letztere hat sich ganz aus der Politik verabschiedet. Strobl steht dagegen weiter in der ersten Reihe.
Ein Plenartag Anfang Februar. Im Flur trifft Strobl auf Winfried Kretschmann, sie haben sich für ein Vier-augen-gespräch verabredet. „Sollen wir zu dir oder zu mir?“, fragt der Cdu-politiker den grünen Ministerpräsidenten für Umstehende deutlich hörbar. Neben dem Cdu-landesvorsitz ist der gute Draht zu Kretschmann Strobls Pfund. 2016 hat er nach Wolfs Wahlniederlage den Weg für das erste Bündnis mit den Grünen geebnet. 2021, in einer viel schwierigeren Konstellation, haben ihn selbst innerparteiliche Gegner bekniet, Kretschmann zur Erneuerung des Bündnisses zu bewegen. „Ohne dich hätte ich es nicht gemacht“, hat der Ministerpräsident anschließend vor Publikum Strobl zugerufen. Trotzdem hat die Partei Strobl ein halbes Jahr später mit nur 66,5 Prozent der Stimmen als Landesvorsitzenden bestätigt.
Ob er im Herbst erneut kandidieren will, lässt der 62-Jährige offen. Hagel würde im Zweifel nicht gegen ihn antreten, schon aus Loyalität. Die Personalie steht indes unausgesprochen zwischen beiden.
Intern rät Strobl den Seinen davon ab, grüne Nachfolgediskussionen zu befeuern. Denn das, so die Argumentation, würde Kretschmann schwächen, die CDU brauche für ihre Politik aber einen starken Kretschmann. Schließlich sei der näher an Cdupositionen als die nach links gerückte Grünen-fraktion. Die Grünen wiederum loben Strobl bei jeder Gelegenheit. Der sei ein „Gentleman“und ohne Interesse an kleinlichen Scharmützeln, sagt ein grünes Regierungsmitglied. Es ist auch eine Spitze gegen Hagel, dem der Koalitionspartner Profilierungssucht vorhält. In der Tat versucht der 34-Jährige mit eigenen Positionen – sei es bei der
Sein Lebenslauf lehrt, dass man Thomas Strobl nicht vorschnell abschreiben sollte.
Parteifreunde drängen Hagel: Übernimm‘ ein Ministeramt oder den Cdu-landesvorsitz.
Opernsanierung oder dem Verkauf von Transnetbw – Akzente zu setzen. Aber nie so, dass es zum Koalitionskrach auf offener Bühne kommt – auch wenn die FDP nichts unversucht lässt.
Anfang Februar bringen die Liberalen im Plenum einen Cdubeschluss gegen das Gendern an Schulen, Hochschulen und Landesbehörden zur Abstimmung ein, wohlwissend, dass die Grünen dem nicht folgen werden. Hagel hat sich bei dem Thema weit aus dem Fenster gelehnt, aber das Glück, dass ein Fdp-redner sagt, „jetzt schauen wir mal, ob es hier im Landtag eine Mehrheit gibt“. Hagel nutzt die Chance, der FDP vorzuhalten, sie setze auch auf die Stimmen der AFD, die dürfe aber nicht zum Mehrheitsbeschaffer im Landtag werden. Es gehe dabei um eine Frage, „die größer ist, als jedes Gendersternchen der Welt“. Intern kostet es ihn einige Überzeugungsarbeit, damit alle Cdu-abgeordneten den Fdp-antrag ablehnen, den sie inhaltlich teilen.
Am Ende folgen ihm alle.