Ende der Kulanz
Bisher kann man E-books beim Us-händler 14 Tage lang zurückgeben – selbst wenn man sie ganz gelesen hat. Nun gibt es gravierende Änderungen. Von Caroline Strang
Tolino, Kindle und Co.: Die Rückgabe- und Widerrufsrechte sind unterschiedlich geregelt.
Der Roman hat einen äußerst ansprechenden Titel. Auch die ersten Seiten des E-books lesen sich noch gut. Dann aber wird die Geschichte langweilig. Kein Problem, bei Amazon kann man E-books innerhalb von 14 Tagen zurückgeben – und bekommt anstandslos sein Geld zurück. Das gilt allerdings auch, wenn der Roman gut war und man ihn bis zum Ende gelesen hat. Ein paar Klicks und man hat sein Geld wieder – obwohl man die Leistung in Anspruch genommen hat. Vor allem für Autoren ein Unding, die werden damit um ihr Geld gebracht.
Und das in einem Markt, der in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. In Deutschland lag der Umsatzanteil von E-books im Publikumsmarkt 2021 laut GFK bei rund 5,7 Prozent. Zehn Jahre zuvor betrug der Anteil noch 0,8 Prozent. Der Absatz im Jahr 2021 betrug rund 38 Millionen Stück.
Begründete Sonderfälle
Wenn diese E-books innerhalb der Rückgabefrist automatisch zurückgegeben werden können, selbst wenn sie in großen Teilen oder komplett gelesen wurden, öffne das die Türe für missbräuchliche Nutzungen, erklärt Thomas Koch, Pressesprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, auf Anfrage. „Dann erhalten weder Verlag noch Autorinnen und Autoren eine Vergütung, obwohl das E-book gelesen wurde.“
Der Verlag müsse zudem an den Händler eine Gebühr für die entstehenden Rückgabekosten zahlen. „In der Regel gewähren Anbieter eine Rückgabe von E-books nur in begründeten Sonderfällen, beispielsweise wenn dem Kunden kurz nach dem Kauf auffalle, dass er oder sie das falsche Buch gekauft habe, das E-book nur kurz angelesen wurde oder es technische Mängel gebe.“Amazon habe es bisher anders gehandhabt.
Die Betonung liegt hier auf „bisher“. Denn wie eine Amazonsprecherin auf Anfrage erklärt, wird sich das bald ändern. Sie sagt zwar vorab: „Unsere E-bookRückgabequoten sind konstant niedrig und wir haben Richtlinien und Systeme, um Missbrauch zu verhindern.“Trotzdem will der Online-riese nun deutlich weniger kulant agieren. In den USA wurde die Änderung bereits durchgesetzt, in Deutschland soll sie in den „kommenden Wochen“erfolgen.
Der entscheidende Unterschied: Die Rückgabe ist mit deutlich mehr Aufwand verbunden. „Während der gesetzlichen 14-tägigen Widerrufsfrist in Großbritannien und der EU müssen Kunden, die mehr als 10 Prozent eines E-books gelesen haben, in Zukunft den Kundenservice kontaktieren, um eine Rückgabe anzufragen – anstatt die Selbstbedienungsfunktion zu nutzen“, erklärt die Sprecherin.
Dafür war etwas Druck nötig. Im letzten Jahr habe die amerikanische Autorenvereinigung Authors Guild in Gesprächen mit Amazon bewirkt, dass der Onlinehändler eine Änderung seiner Rückgaberichtlinien angekündigt hat, erklärt Koch. „Allerdings fehlt laut Authors Guild noch die Angabe der exakten 10-Prozentobergrenze für den gelesenen Anteil, ab dem eine automatische Rückgabe nicht mehr möglich ist.“Der Verband geht davon aus, dass die Umsetzung hierzulande in Kürze analog zu den USA erfolgen wird.
Wie sieht es bei anderen Anbietern aus? Im Apple itunes Store kann man für E-books unter Angabe von Gründen unkompliziert eine Rückerstattung anfordern. Buecher.de aber schreibt auf seiner Homepage klar: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir gekaufte E-books im Zuge des Widerrufs nicht stornieren können. Das erworbene digitale Produkt ist aufgrund seiner Beschaffenheit nicht für eine Rückgabe geeignet.“Ebook.de, das zu Hugendubel gehört, gewährt eine Widerrufsfrist von 14 Tagen, allerdings muss man eine „eindeutige Erklärung“abgeben, beispielsweise ein Musterschreiben per Post oder Mail senden. Mit ein paar Klicks ist es also nicht getan. Ebenso hält es Thalia.
Die rechtliche Lage dabei ist eigentlich eindeutig. „Bestellt ein Kunde online digitale Inhalte wie E-books, Hörbücher oder Software, steht ihm grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu“, erklärt Bea Brünen von der Itrecht-kanzlei aus München. Auch sie bestätigt: Für Händler sei das oft ein Ärgernis, denn hier bestehe ein extremes Missbrauchspotenzial.
Deshalb gebe der Gesetzgeber Händlern ein rechtliches Werkzeug an die Hand, um dem zu entgehen. Denn das Widerrufsrecht könne erlöschen, wenn der Unternehmer den Verbraucher zuvor ausführlich darüber aufkläre und seine Zustimmung einhole. „Umgesetzt werden kann die Aufklärungspflicht des Händlers in der Praxis durch eine Opt-incheckbox, mit der der Kunde das bestätigt“, erklärt Brünen. Diese sollte allerdings nicht vorangehakt sein, sondern eine ausdrückliche Handlung des Verbrauchers erfordern.
Dann erhalten weder Verlag noch Autoren Geld, obwohl das E-book gelesen wurde. Thomas Koch Sprecher Börsenverein Buchhandel