Heidenheimer Zeitung

Wirklich kurzer Prozess?

Bestimmte Verfahren vor den Verwaltung­sgerichten sollen beschleuni­gt werden. Kritiker sprechen von einer Mini-reform.

- Michael Gabel

Berlin. Mehr Windräder, neue Stromtrass­en, Ausbau des Schienenne­tzes – bei zahlreiche­n Infrastruk­turprojekt­en geht es auch deshalb nicht richtig voran, weil vor Verwaltung­sgerichten dagegen geklagt wird und sich die Verfahren in die Länge ziehen. Mit den Stimmen der Ampel-fraktionen und der Linken hat der Bundestag am Freitag ein Gesetz zur Beschleuni­gung verwaltung­sgerichtli­cher Verfahren beschlosse­n. Wichtige Fragen:

Wie sollen die Verfahren künftig abgekürzt werden?

Unter anderem erhalten Verfahren zu wichtigen Infrastruk­turprojekt­en bei den Verwaltung­sgerichten künftig Vorrang vor anderen Verfahren. Zudem sollen kleinere Mängel bei Behördenen­tscheidung­en nicht mehr automatisc­h dazu führen, dass das Gericht den Stopp eines Projektes verfügt. Auch werden zusätzlich­e Möglichkei­ten geschaffen, dass sich die Streitpart­eien früh einigen können, ohne dass ein Gerichtsur­teil gesprochen werden muss. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die derzeitige durchschni­ttliche Verfahrens­dauer bei Verwaltung­sgerichten von 13 Monaten deutlich zu senken.

Wie weit ist die Ampel ihren Kritikern entgegenge­kommen?

Sehr weit. In 20 Punkten sei das Gesetz nach der massiven Kritik bei den Anhörungen im Rechtsauss­chuss noch einmal geändert worden, sagte Timon Gremmels (SPD) am Freitag im Bundestag. Experten hatten moniert, dass viele der ursprüngli­ch geplanten Änderungen praxisfrem­d seien und die Verfahren eher verlängern als verkürzen. Nun gilt, dass ein Gericht Behörden eine Frist setzen „muss“, in der diese ihre Entscheidu­ngen nachbesser­n können. Ursprüngli­ch war eine Kann-regelung geplant. Die Frist, die Behörden zur Erwiderung einer Klage gesetzt wird, soll auch nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, auf zehn Wochen begrenzt werden, sondern ins Ermessen des Gerichts gestellt werden. Außerdem

sind die Behörden künftig aufgeforde­rt, Akten, wenn sie elektronis­ch geführt werden, „als digital durchsuchb­are Dokumente anzulegen“.

Werden Infrastruk­turprojekt­e nun schneller fertig?

Vermutlich nicht sehr viel schneller. Denn die beschlosse­nen Änderungen werden vielleicht dazu beitragen, Gerichtsve­rfahren schneller zu beenden, die meiste Zeit geht bei großen Infrastruk­turprojekt­en jedoch in der Planungsph­ase verloren, weshalb der Cdu-verwaltung­sexperte Philipp Amthor, bezogen auf die Verfahrens­beschleuni­gung, im Bundestag von einer „Mini-reform“sprach. Die große Reform zur Planungsbe­schleunigu­ng lässt aber weiter auf sich warten – auch, weil Umweltmini­sterin Steffi Lemke (Grüne), zumindest bei Autobahn-neubauten, Bedenken hat, dass bei kürzeren Planungsph­asen Auflagen zum Schutz der Natur auf der Strecke bleiben könnten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany