Sachlage völlig unklar
US-reporterlegende Seymour Hersh hat einen Bericht veröffentlicht, in dem er behauptet, die USA hätten gemeinsam mit Norwegen die Nordstream-pipeline in die Luft gejagt. Sein Text gibt jedoch Anlass zur Skepsis. Die Geschichte fußt auf einer einzigen anonymen Quelle. Das verstößt nicht nur gegen journalistische Qualitätsstandards. Es mindert auch die Glaubwürdigkeit des Berichts: Offensichtlich hat Hersh nicht eine einzige weitere Person gefunden, die seine Behauptung bestätigen konnte.
Auch viele Experten halten die Story für dünn: Militärisch sei die Aktion wie im Bericht geschildert kaum oder nur äußerst schwer durchführbar. Zudem gibt die Motivlage Rätsel auf: Die deutsch-russischen Gasbeziehungen waren damals bereits im Grunde aufgekündigt, Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Wieso sollten die USA für eine
Investitionsruine auf dem Ostseeboden einen Konflikt riskieren, der mit den Erdgasröhren das ganze westliche Bündnis sprengen könnte?
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es ebenso schwierig ist, ein russisches Motiv zu konstruieren. Wieso sollten die Russen sich eines Druckmittels entledigen, das Deutschland immerzu verführt, die Energiebeziehungen wiederaufzunehmen?
Fakt ist, dass die Sachlage nach wie vor völlig unklar ist. Wer es am Ende gewesen ist, werden wir vielleicht erst in Jahrzehnten erfahren – oder nie. Vor allem jenen, die Russland gerne alle Verbrechen mit der Behauptung durchgehen lassen, die USA seien angeblich auch nicht besser, dürfte das ziemlich egal sein. Denn unabhängig davon, wie unglaubwürdig eine Geschichte ist – ist sie einmal in der Welt, spielen Fakten keine Rolle mehr.